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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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weiterschauen als auf die eigenen Füße und bemerkte nicht, wie Akil plötzlich erstarrte, stehen blieb, tonlos einen Namen flüsterte.
    Erst als sie weitere Schritte gegangen war, gewahrte sie, dass er an ihrer Seite fehlte. Sie senkte den schützenden Arm, wandte sich um. »Akil?«
    Immer noch stand er unbeweglich, starrte entgeistert in eine Richtung.
    Sie folgte seinem Blick und fuhr zusammen. »Oh, mein Gott!«
    Menschen, endlich wieder Menschen, ein ganzes Rudel Männer, nicht zerlumpt wie die Kinder, sondern in dunklen Lederwämsern, einige von ihnen trugen sogar Kettenhemden, die silbrig glänzten. Und Stiefel hatten sie alle an – fast alle. Zwei von ihnen sahen erbärmlich aus, barfüßig, mit schlotternden Hemden.
    »Gaspare! Ray!«
    Sie standen im Kreise der Männer, schienen mit ihnen zu reden, zu verhandeln. Caterina mochte es nur so zu deuten, dass sie um ihr Leben bettelten, dass jene Männer sie zwar aus dem Kerker befreit hatten, jedoch nur, um sie ihrer Strafe zu überführen. Akil versuchte sie aufzuhalten, sie zum Schweigen zu bringen. »Nicht, Caterina! Du kannst ihnen nicht helfen! Mach dich nicht bemerkbar ...«
    Doch es war schon zu spät. Inmitten der ausgestorbenen Stadt hatte ihr spitzer Schrei die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt. Die Männer fuhren zu ihr herum, auch Gaspare und Ray. Aus dem Augenwinkel gewahrte sie, dass Ray die Hand hob, ihr ein Zeichen zu geben versuchte, doch dann war sie schon zu ihnen gelaufen.
    »Bitte, bitte tut ihnen nichts!«, rief sie. »Wessen sie auch bezichtigt werden, sie sind verleumdet worden! Sie sind unschuldig!«
    Zuerst standen die Männer ungerührt und mit verschlossenen Mienen, begannen dann zu grinsen, gemächlich auf sie zuzutreten. Zu spät bemerkte sie, dass sie einen Kreis um sie bildeten, ihn enger zogen, es ihr unmöglich machten zu fliehen. Jetzt erst ging ihr auf, wie wahnwitzig es war, sie herausgefordert zu haben.
    »Bitte!«, stammelte sie schwach, und sie wusste nicht, ob sie noch immer für die beiden bat oder für sich selbst. Stechende Augen trafen sie, maßen sie schweigend von oben bis unten. Wann würden ihnen Hände folgen?
    Sie merkte, wie ihre Knie zu zittern begannen, als plötzlich Gaspares Stimme das Schweigen durchbrach.
    »Lasst sie in Ruhe! Sie ist meine Schwester!«
    Er sprach in jenem leise zischenden Ton, der ihm an Bord des Schiffes zu eigen gewesen war, und anstatt darüber zu lachen, wie sie es erwartet hatte, fügten sich die Männer augenblicklich seinem Befehl, traten zurück, öffneten den Kreis.
    Ray kam zu ihr gestürzt. »Caterina! Geht es dir gut?«
    Sie merkte kaum, wie er sie umarmte, starrte noch immer Gaspare an, erstaunt, wie er nun mit den Fremden sprach. Sie verstand kein Wort von dem, was er sagte, nur dass die Männer ihm ernsthaft zuhörten, am Ende sogar nickten.
    »Wer ... wer sind diese Männer?«
    »Genuesen«, antwortete Ray.
    Sie versteifte sich in seiner Umarmung, machte sich los. »Aber Aleria ist doch pisanisches Gebiet! Und wie kommt es, dass sie auf einen wie Gaspare hören?«
    Es bedurfte vieler Stunden, bis Caterina die ganze Wahrheit erfasste. Die wenigen Worte, mit denen Ray sie ihr zuerst zu erklären versuchte, reichten dafür nicht aus. Von Genuesen war die Rede, immer wieder von Genuesen und davon, dass jene Ray und Gaspare befreit hätten.
    »Aber wo sind all die Menschen aus Aleria?«, fragte sie ein ums andere Mal.
    »Sie sind geflohen oder haben sich in ihre Häuser verkrochen, als sie vom Sieg der Genuesen hörten«, sagte Ray. »In den nächsten Tagen werden hier weitere Schiffe eintreffen und manch einen mit sich führen, der auf Plünderung aus ist.«
    Gleichwohl der Lage kundiger als sie, blickte auch er sich misstrauisch um, verstört von einer leeren Stadt, die nicht nur von Angst und Flucht kündete, sondern von einem merkwürdigen Zwischenzustand, gleich so, als hätte das Leben seinen Herzschlag ausgesetzt, als würde alles stillstehen, um irgendwann mit ganzer Wucht loszubrechen. Jeder, der hiervon Zeuge war, mochte zweifeln, ob es die Ruhe vor dem Sturm zu genießen galt oder sich vor dem Kommenden zu wappnen.
    Gaspare löste sich indessen von der Gruppe der Genuesen und trat zu ihnen. »Sie haben uns Kleider versprochen und etwas zu essen. Und wir können die Nacht im Haus des hiesigen Richters zubringen, der in den Westen der Insel geflohen ist.«
    Er sprach nüchtern, mehr zu Ray als zu Caterina, und doch hörte sie, dass seine Stimme unmerklich zitterte, und

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