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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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sein Gesicht war bleicher und eingefallener als sonst. Obwohl er nicht wusste, wie er die Lage deuten sollte, schien Ray erleichtert über die Wendung und darüber, dass er aus dem Kerker befreit war. Gaspare hingegen schien von irgendetwas tief erschreckt wor- den zu sein. Er gab sich beherrscht, vor allem in Gegenwart der Genuesen, deren falscher Annahme, wonach er einer der ihren sei, er nicht widersprechen wollte, aber Caterina fühlte, wie verstört er war.
    Was war geschehen in jenen Stunden, da Gaspare zurück in den Kerker gekommen war? Wo war der Kerkermeister und wo ihre Reliquie? Wie kam’s, dass die Genuesen die Pisaner besiegt hatten – und was war es, was Gaspare derart erschütterte?
    Vorerst musste Caterina auf eine Antwort warten. Sie wurden – wie versprochen – in ein Haus geführt, bekamen im dortigen schlichten Saal zu essen und zu trinken. Es war Wochen her, dass Caterina das letzte Mal saftiges Brot geschmeckt hatte, und beim ersten Bissen war ihr kurz, als könnte selbst die Glückseligkeit im Himmel nicht mehr verheißen als dieses Gefühl, endlich satt zu werden. Die Anspannung der letzten Stunden löste sich. Wiewohl sie den fremden Genuesen nicht traute, schien es tatsächlich so zu sein, dass Gaspares Worte Gewicht hatten und ihr keine unmittelbare Gefahr von ihnen drohte. Was immer in den nächsten Tagen geschehen mochte, diese eine Nacht würde sie unter einem sicheren Dach schlafen können. Als sie sich Ray zuwandte, um nun, da sie gesättigt waren, endlich all ihre Fragen zu stellen, gewahrte sie, dass er bereits, an die Wand gesunken, eingeschlafen war. In seinem Gesicht hatten sich sämtliche Spuren der Kerkerhaft geglättet.
    Erleichterung durchflutete sie, nackt und schlicht: Er lebt, er ist frei.
    Sie betrachtete ihn eine Weile, gab sich einen Augenblick jenem schläfrigen Wohlbehagen hin, in dem nur zählte, dass er da war.
    Sie schreckte erst hoch, als Akil zu ihr trat. Unauffällig wie stets hatte er sich in den letzten Stunden verhalten und kaum ein Wort gesagt. »Gaspare«, murmelte er jetzt. »Gaspare ...«
    Caterina fuhr herum. Zuerst ganz in ihr Mahl versunken, dann in Rays schlafenden Anblick, hatte sie nicht bemerkt, dass Gaspare den Raum verlassen hatte.
    »Wo ist er?«, fragte sie.
    »Geht draußen auf und ab. Ich denke nicht, dass er in dieser Nacht Ruhe finden wird.«
    Gaspares angespanntes, weißes Gesicht kam Caterina in den Sinn und dass ihn mehr aufzuwühlen schien als nur die Tatsache, dass er – wundersam genug – von Genuesen befreit worden war.
    »Weißt du, was geschehen ist?«, fragte sie.
    Erneut stellte sich Akils Gabe heraus, rasch und unauffällig möglichst viele Informationen in Erfahrung zu bringen.
    »Gaspare hat mir von einer großen Schlacht erzählt«, begann er und berichtete hernach von dem, was am Sankt-Sixtus-Tag kaum eine Woche zuvor geschehen war, an jenem Tag, der den Pisanern bislang als Nationalfeiertag heilig war – hatten sie doch dereinst gegen die Mauren auf den Balearen und gegen die Araber im Heiligen Land große Siege errungen – und der sich nun als schwärzester Tag ihrer Geschichte herausstellte.
    »Diese Schlacht fand bei Meloria statt, einer kleinen Felseninsel, nicht weit von Livorno, und es heißt, dass es die größte und blutigste Schlacht war, die das Mittelmeer jemals gesehen hat. Eigentlich war’s keine Schlacht, sondern ein Gemetzel. Sieben pisanische Galeeren sind von genuesischem Rammsporne versenkt worden, vierzig pisanische Schiffe gekapert worden. Tausende von Menschen wurden einfach in Stücke gehauen. Ebenfalls Tausende wurden in Gefangenschaft geführt. Pisa hat Korsika endgültig an Genua verloren, so wie es ausschaut.«
    »Aber wohin sind die Menschen hier geflohen?«
    »Einige haben sich verkrochen. Die anderen sind ins Landesinnere gegangen, kaum dass sie vom Ausgang des Krieges hörten. Sie werden die Plünderung abwarten und hernach, was über sie entschieden wird.«
    »Und Gaspare und Ray wurden für Genuesen gehalten und sind deswegen befreit worden?«
    »Davide sei Dank – ja«, meinte Akil. »Ray hat den Mund, wie’s scheint, nicht aufgemacht – aber Gaspare selbst kennt den genuesischen Akzent besser als den seiner eigentlichen Heimat. Unmöglich, dass sie auch nur der Verdacht streifte, er könnte ein verhasster Pisaner sein.«
    »Welch sonderbares Geschick!«, stieß Caterina aus und fragte sich, ob Gaspare damit haderte, dass er ausgerechnet seinen ärgsten Feinden die Freiheit

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