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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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erkannt hatte. Doch Onorio wollte sich nicht der Niederlage fügen, wollte Ruhm erwerben, drang vor und geriet in ein genuesisches Geschwader. Es hatte sich hinter einem Felsvorsprung an der Küste versteckt.«
    Er lachte bitter auf, schüttelte den Kopf, als hätte der andere, gleichwohl er tot war und als Verlierer einer Schlacht gestorben, ihm immer noch das Lebensglück voraus. Offenbar war er zu sehr an diesen Gedanken gewöhnt.
    »Wie ist er gestorben?«, fragte Caterina, um etwas zu sagen.
    Gaspare zuckte unwirsch mit den Schultern. »Was weiß ich! Von einem Pfeil getroffen? Ersoffen? In Stücke zerhauen? Ich weiß nur, dass ich nicht mehr Rache üben kann.«
    »Weil’s ein anderer für dich tat.«
    »Ein Genuese ... ausgerechnet. So wie ich jetzt plötzlich als Genuese gelte.«
    »Onorio war auch Genuese, wenngleich er seine Heimatstadt verraten hat und nach Pisa übergelaufen ist«, sprach Caterina. »Zeugt nicht eben das davon, dass Fronten selten so klar verlaufen, wie man es hofft und wünscht, damit sich das Leben auf diese Weise leichter begreifen ließe? Ist dies nicht ein Zeichen dafür, dass Freund und Feind sich nicht immer auf den ersten Blick unterscheiden lassen?«
    So wie ich nicht weiß, wer du mir bist, fügte sie im Stillen hinzu. So wie ich nicht weiß, was Ray mir so oft war.
    »Eben«, sagte Gaspare schlicht, »drum sprich mir nicht von Gerechtigkeit. Du hattest recht, Caterina. Es gibt keine Gerechtigkeit, keine Logik, keine Ordnung. Darum trifft uns bitteres Unglück und manchmal auch die Gnade – beides aus Zufall. Das Leben ist ein Irrwitz.«
    Wieder starrte er in den sich langsam verdunkelnden Himmel. Vielleicht war dies die einzige Gnade, die von oben kam – dass das, was sich hier unten zutrug, stets aufs Neue von der Schwärze der Nacht verborgen wurde, um am nächsten Tag – neu betrachtet – vielleicht noch schlimmer, vielleicht jedoch auch erträglicher zu werden.
    »Vielleicht ist das Leben einfach nur Spiel«, meinte Caterina. »Das hat Ray einmal zu mir gesagt. Manchmal gewinnst du, manchmal verlierst du. Wenn du heulst, verpasst du den nächsten Zug.«
    Sie trat dicht zu ihm hin, und sachte, vorsichtig, als wolle sie ihn nicht verschrecken, legte sie ihre Hand auf seine Schulter. Er zuckte zusammen, aber er schüttelte sie nicht ab.
    »Wie wird der deine ausfallen?«, fragte sie.
    Im Morgendämmern nahm sie Abschied von Akil, indessen Ray immer noch schlief. In der Nacht, als Caterina nach einem langen Gespräch mit Gaspare zu ihm zurückgekehrt war, war er kurz aufgeschreckt. »Schlaf weiter!«, hatte sie ihn beschwichtigt – gewiss, dass er seine Ruhe brauchen konnte und auch, dass er weder Gaspare noch Akil so nahe stand wie sie, um ihnen am nächsten Morgen Lebewohl sagen zu müssen.
    Sie selbst hatte nicht schlafen können. Zuerst waren ihr Gaspares Worte, dass es keine Ordnung auf dieser Welt gäbe, durch den Kopf gegangen, dann die Pläne, die er machte, ein wenig unausgegoren noch, ein wenig zaudernd, aber vom gleichen grimmigen Willen getragen, wie er wohl einst nach der langen Kerkerhaft beschlossen hatte weiterzuleben. Damals hatte ihn der Wunsch nach Rache beseelt, jetzt war sein Trachten, sich – trotz allen widersinnigen Waltens der Welten – ein kleines Fleckchen so gefügig zu machen, dass er künftig darauf würde stehen können.
    Kurz war sie eingenickt, doch nicht lange genug, um daraus Labsal zu ziehen. Als sie die Augen wieder auftat, war das Licht noch immer grau. Akil hatte sie vorsichtig an der Schulter berührt.
    »’s ist wieder ein Schiff aus Genua gekommen«, murmelte er. »Gaspare will nicht länger hierbleiben. Wer weiß, ob unter den Fremden, die kommen, nicht einer ist, der sich an sein Gesicht erinnert. Schließlich hat er jahrelang genuesische Kaufleute überfallen und ausgeraubt.«
    Caterina fuhr ruckartig auf. Als Gaspare ihr gestern seine Pläne kundgetan hatte, hatte sie nicht an Akil gedacht.
    »Du gehst mit ihm, nicht wahr?«, ging es ihr nun auf, und ebenso kurz wie heftig fühlte sie Schmerz darob, den Jungen ziehen zu lassen, mit dem sie so viel durchgestanden hatte.
    »Und du ... du bleibst bei ihm?«, fragte Akil zurück und deutete auf den schlafenden Ray.
    Caterina erhob sich, auf dass sie draußen miteinander reden konnten.
    »Ja«, sagte sie schlicht.
    Auch darüber hatte sie gestern mit Gaspare gesprochen. Dass es – obwohl die Erlebnisse der letzten Tage die vorangegangene Feindschaft ein wenig ausgemerzt hatten

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