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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Lordas Flehen, die spitzen Schreie ihres Vaters – und schließlich sein schwächer werdendes Flüstern, mit dem er seinen letzten Auftrag an sie kundtat: Du musst unseren Schatz in Sicherheit bringen. Du musst solcherart aller Welt bekunden, dass wir treue Katholiken sind. Niemals würde ein Ketzer diesen Besitz heiligen!
    Ein Raunen ging durch die Menge, als der Karren den Scheiterhaufen erreicht hatte und der Verurteilte vom Wagen losgebunden wurde. Jetzt sah Caterina, dass seine Lippen sich bewegten.
    »Die Ketzer beten das Pater noster wie wir«, murmelte da die Frau, »doch sie sagen nicht: unser täglich Brot gib uns heute, sondern unser überirdisch Brot gib uns heute.«
    Caterina verstand nicht recht, was damit gemeint war. »Abscheulich!«, murmelte sie dennoch.
    Ihre Augen glänzten nun fiebrig, als hätte jetzt schon der beißende Rauch sie zum Tränen gebracht.
    »Das Haus, in dem er hier einst gelebt hat, haben sie schon niedergerissen«, setzte die Frau hinzu, noch heiserer flüsternd. Wohingegen anfangs alle wie im Boden verwachsen gestanden hatten, stieß nun ein jeder vor Aufregung die Füße in den Dreck, als wäre es nicht genug, den Übeltäter nur brennen zu sehen, sondern als würde man ihn am liebsten vorher schlagen und treten und zu Brei zerstampfen.
    Schon banden sie ihn an dem Pfahl fest, um den das Holz gestapelt war.
    »Das hat er nun davon«, zischte die Frau, »dass er glaubte, sein Körper wäre nicht von Gott gemacht, sondern vom Teufel! Nun, dann soll er eben brennen, dieser Körper! Würde mich nicht wundern, dass er Schmerzen spürt wie unsereins, wenn die Flammen seine Haut zu lecken beginnen!«
    Caterina verkrampfte ihre Hände, rieb ihre Lippen aufeinander. Ja, sie wollte ihn schreien hören und verbrennen sehen, sie wollte ... So gebannt starrte sie in seine Richtung, dass sie Ray nicht kommen hörte. Dann jedoch hatte er sie schon gepackt, zerrte sie mit einem heftigen Ruck nach hinten, und noch ehe sie gegen ihn anzukämpfen vermochte, hob er sie hoch und stieß sie in den Holzwagen. Eben noch hatte er sich gescheut, sich einfach durch die Menge zu drängen, nun schob er den Wagen einfach an und störte sich nicht daran, dass er damit die Gaffenden fast umfuhr.
    »Wir fahren!«, entschied er so streng, wie einst nur Pèire zu ihr gesprochen hatte. »Das siehst du dir nicht an!«
    Über Stunden sprachen sie nicht miteinander.
    Caterina hatte anfangs nicht an keifenden Worten gespart, um ihn für seine rüde Vorgehensweise zu tadeln, hatte auf ihr gutes Recht verwiesen, diese Hinrichtung zu bezeugen, doch anstatt ihr zu antworten und sich ihren Anklagen zu stellen, hatte er sich einfach als der körperlich Stärkere erwiesen. Nicht nur, dass er sie in den Wagen geschleudert hatte. Obendrein hielt er sie mit einer Hand dort fest, während er jenen ächzend weiterzog, sodass sie nicht wieder herauskriechen und zurück zur Stätte der Hinrichtung eilen konnte. Ohne sich darum zu scheren, wie sehr sie sich wand und einforderte, selbst über ihr Tun zu bestimmen, hielt jer sie gefangen und zerrte sie mitsamt dem Wagen über die Straße, auf der sie gekommen waren. Am Ende war sein Gesicht [nicht mehr bleich, sondern rot und schweißnass ob der Anstrengung.
    Jetzt erst ließ er sie los, doch wiewohl sie nun die Wahl gehabt hätte, zurück zum Scheiterhaufen zu rennen, der gewiss schon zu brennen begonnen hatte, besagte seine verhärtete Miene, dass es besser wäre, ihm zu folgen. Wenn nicht, so bekundete jede Geste, würde er allein weiterziehen, und sie musste sehen, wo sie blieb. So viel war es ihr denn doch nicht wert, einen Ketzer sterben zu sehen. Also fügte sie sich ihm, jäh fröstelnd, kaum dass die fiebrige Erregung von vorhin von ihr abgefallen war. Auch damit haderte sie, als sie seinen raschen Schritten folgte – dass seine Sturheit sie der Lust beraubt hatte, sich noch einmal umzudrehen, zu lauschen, was sich da tat und ob der Ketzer tatsächlich schrie. Irgendwie wollte sie es nicht mehr. Würde sie seine Gestalt betrachten können, dann hätte sie Gewissheit, dass da einer zu Recht brüllte. Doch das Gesicht von Richarz Marty, das sich ihr nur vage eingeprägt hatte, war jetzt kaum mehr als ein gräulicher Schatten, ihren Erinnerungen an den Vater bedrohlich nah, und sie gewahrte zu ihrem eigenen Entsetzen, dass die Erkenntnis, den Mann in seinen Todesqualen nicht schreien hören zu wollen, viel tiefer kratzte, als es ihren ansonsten doch so festen, aufrechten

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