Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
Vom Netzwerk:
die Straßen gejagt würden.
    In jenem Dorf, wo sich eben die Menschen zusammenrot- teten, die geöffneten Münder roten Löchern gleichend, aus denen gespuckt und gelacht, gezetert und gehöhnt wurde, fehlte dem sündigen Paar offenbar das Geld, um sich die entwürdigende Behandlung zu ersparen. Schon brandete Gejohle auf, als sich auf der einen Straßenseite etwas tat – und Caterina, die bislang nicht begriffen hatte, was sich hier zutrug und zur Belustigung des Volkes diente, konnte nicht umhin, den Kopf in diese Richtung zu drehen, um alsbald etwas ebenso Schauerliches wie Armseliges zu betrachten.
    Ray pfiff durch die Lippen, ein wenig belustigt und zugleich, wie Caterina befand, angespannt.
    Anfangs senkte sie noch den Blick, weil der Anblick des ehebrecherischen Paars sie zu anstößig deuchte, und hob ihn dann doch, als sie spürte, wie Ray gebannt glotzte. Schau du nur!, dachte sie grimmig, dann siehst du, was dir blüht!
    Den nackten Ehebrechern war nicht auch nur der kleinste Fetzen Stoff gegönnt, um sich damit ihr Geschlecht zu bedecken. Einzig die Hände blieben zu diesem Zwecke, doch mit jenen mussten sie sich gegen mehr als nur anzügliche Blicke schützen, prallten doch auf die nackten, weißen und wabbeligen Glieder faules Obst und Gemüse, ja sogar stinkende Eier. Die unglückselige Frau suchte ihre wogenden Brüste unter dem langen offenen Haar zu verbergen, doch weil sie so schnell lief, um den Augenblick größter Schande möglichst rasch hinter sich zu bringen, rutschten die aufgelösten Strähnen ständig über ihre Schultern. Auch die Hand, mit der sie ihre Scham bedeckte – unter gekräuseltem dunklem Haar krebsrot –, ließ manchmal davon ab und fuchtelte hilfesuchend durch die Luft, wenn sie auf den fauligen Schalen hinzufallen drohte. Dem Mann erging es anfangs besser – musste er doch auf weniger intime Körperstellen achten. Gekrümmt ging er, um sein Geschlecht mit beiden Händen zu bedecken, doch plötzlich rutschte er auf dem glitschigen Weg aus und fiel zu Boden. Gerade noch stützte er sich ab, um sich den Kopf nicht aufzuschrammen, doch musste er nun erdulden, dass der Blick der Gaffer auf sein müde baumelndes, dünnes Geschlecht fiel.
    »So schnell also schrumpft die Manneskraft!«, höhnte einer der Umstehenden.
    »Und wegen dieses armseligen Würmchens hat die dumme Gans ihre Ehre aufs Spiel gesetzt?«
    »Wenn Gott gerecht ist, kriegst du ihn niemals wieder steif!«
    Eine Weile blieb der Mann hocken, ein dürftiges Menschenhäuflein, sich windend vor Ekel und Beschämung. Doch das Obst, das gnadenlos auf ihn einschlug, bedrängte ihn, sich wieder zu erheben und die Strafe abzudienen.
    Sein Anblick stimmte Caterina jäh unbehaglich. Anstatt sich grimmig an der Strafe zu erfreuen, geriet ihr ein Bild in den Kopf – das von Rays prallem, festem Hinterteil und wie es sich auf Faïs’ Schoß auf und ab bewegt hatte. Nichts hatte jenes Bild mit dem schlotternden, kümmerlichen Mann hier zu tun.
    Caterina schüttelte den Kopf, um sich gegen die Erinnerung und gegen die Hitze, die jene mit sich brachte, zu wehren – und ausnahmsweise tat Ray es ihr gleich, wiewohl aus anderem Grunde.
    »Eine wirklich schlimme Sünde, wenn zwei Menschen Spaß haben!«, murmelte er, und es klang nicht spöttisch, sondern ärgerlich. »Haut nur ordentlich drauf, wenn man nichts weiter tut, als seiner Lust zu frönen!«
    Seine Worte vertrieben die Erinnerung an seine Nacktheit.
    »Sie haben Ehebruch begangen!«, zischte Caterina. »Das ist eine Sünde wider ein heiliges Sakrament, und dafür müssen sie büßen!«
    Ray spottete immer noch nicht. Seine Stirne war in tiefe Falten verzogen, und seine Augen zeigten keinen Hohn, sondern nur Überdruss. Fast angewidert wandte er sich von den beiden nackten Unglücksraben ab.
    »So, so«, murmelte er. »Derart schwer ist diese Sünde also, dass man sich nur mit hundert Sous freikaufen kann. Erstaunlich: Wenn eine Frau geschändet wird, so hat der Täter nur dreißig Sous zu bezahlen, sofern sie denn gleichen Standes ist wie er.«
    Ohne Hast, aber entschlossen, nicht hierzubleiben, trat er zum Holzwagen hin.
    Caterina vermochte nichts zu sagen.
    »Ach ja«, fuhr er da schon fort, »die geschändete Frau, deren Leid ja bei weitem nicht so viel zählt wie das des betrogenen Gatten, hat obendrein die Möglichkeit, ihre Ehre wiederherzustellen, indem sie den Täter heiratet. Ist ja auch ein rechtes Vergnügen, mit einem Mann vermählt zu sein, der einem so

Weitere Kostenlose Bücher