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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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ausgesprochen hätten, das Todesurteil, würde aus diesem Dorf stammen.
    »Was für eine Schande!«, zischte die Frau, und erstmals gewann ihre raue Stimme einen lebhaften Klang. Um ihren Abscheu zu unterstreichen, spuckte sie auf den Boden. Ob seiner Herkunft würde man ihn hier verbrennen und nicht in Toulouse, an einem Freitag, wie es üblich war, und in aller Öffentlichkeit, auf dass alle, die mit ihm womöglich heimlich sym- pathisierten, erführen, was mit den Aposteln des Satans geschehe.
    »Und ... und er hat nicht widerrufen?«, fragte Ray, der unbemerkt an Caterinas Seite getreten war, immer noch blass und mit zuckenden Augenbrauen. Er hatte von der Stätte forteilen wollen, doch längst standen so viele Menschen in dichten Reihen um ihn, dass er mit dem Wagen nicht mehr durchkommen würde. »Es ist doch so leicht, dem Tod zu entkommen«, setzte er hinzu. »Sie müssen doch nur dem Glauben abschwören, sich zu Christus als dem Sohn Gottes bekennen und dazu, dass er tatsächlich gekreuzigt wurde, gestorben ist und auferstanden.«
    »Nun«, murmelte die Frau, »jener Mann hält offenbar daran fest, dass die einzig wahre Taufe, die er empfangen hat, jene auf den Heiligen Geist war. Denn diese üblen Gesellen glauben nur an diesen Geist und nicht an Gottes Sohn. Der ist für sie nichts weiter als ein Engel. Und einzig den Heiligen Geist rufen sie darum im Gebet an, nicht Gottes Namen!«
    »Aber ...«, versuchte Caterina zu fragen.
    »Außerdem hat dieser Mann schon einmal abgeschworen. Man hat ihn zu Kerkerhaft bei Wasser und Brot verurteilt und nach fünf Jahren wieder freigelassen. Hernach freilich wurde er rückfällig. Und du weißt ja, Rückfällige finden keine Gnade ...«
    Sie nickte düster, Ray senkte seinen Blick. Noch schwerer stützte er sich auf seinen Wagen. Mit einer schwachen Handbewegung winkte er Caterina zu sich, doch jene stand so steif wie all die anderen Anwesenden.
    So oft hatte sie gehört, wie ihr Vater den verdammenswerten Glauben der Ketzer verurteilte, doch erst jetzt bot sich erstmals die Möglichkeit, einem solch lästerlichen Menschen von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen. Als plötzlich ein Ruck durch die starre Menge ging, riss auch sie den Kopf in jene Richtung, in der sich ein Wagen in Bewegung gesetzt hatte, nicht unähnlich dem, mit dem Ray seinen Besitz durch die Lande führte, aus Holz zusammengehämmert und mit schlichten Scheibenrädern ausgestattet. Sie hatten Richarz Marty darauf festgebunden und fuhren ihn damit zum Scheiterhaufen. Auch jenen sah Caterina aus dem Augenwinkel, doch das hochgeschichtete Holz vermochte sie nicht so zu bannen wie der Verurteilte.
    So wie ihr Vater über die Ketzer gesprochen hatte, hatte sie stets vermeint, es müssten dies dreckige, hässliche Kreaturen sein.
    Richarz Marty war jedoch eine der vornehmsten Gestalten, die sie je gesehen hatte. Sein Gesicht war glatt rasiert, seine Haare gekämmt, er trug einen schwarzen, mönchsähnlichen Rock, von einem Gürtel zusammengehalten, an dem eine Ledertasche mit dem Johannesevangelium hing. Auf seiner Kleidung waren zwei gelbe Kreuze eingenäht – eins auf der Brust und eines zwischen den Schultern.
    »Es heißt, er sei nicht nur ein gewöhnlicher Gläubiger, sondern einer der Vollkommenen, ein Perfectus«, raunte die Frau eben. »Das ist so etwas wie ein Bischof.«
    Caterina wusste das Grummeln in ihrem Magen nicht zu deuten. Das Bild ihres sterbenden Vaters geriet plötzlich vor ihre Augen, als sie in das graue, ausdruckslose Gesicht des Verurteilten blickte, und noch ehe er den Scheiterhaufen erreicht hatte, schien ihr schon der Geruch verbrannten Fleisches in die Nase zu steigen.
    »Oh, diese üblen Ketzer!«, schimpfte sie jäh laut, um zu vermeiden, dass sie das eine Ereignis mit dem anderen verglich. »Wenn es sie nicht gäbe und ihre falschen Lehren, mein Vater könnte noch leben!«
    Die Frau warf einen verwunderten Seitenblick auf sie.
    »Ja«, wiederholte Caterina fest, »ja, soll dieser Verdammte nur brennen!«
    Die Flammen, die ihr Gedächtnis durchzuckten, hatten erstmals etwas Wärmendes. Ungerecht und erbärmlich war der Tod ihres Vaters gewesen. Hier und heute aber traf es nicht den Falschen. Hier und heute ward dem Willen Gottes nicht zuwidergehandelt, indem man einen seiner standfesten Gläubigen verleumdete.
    »Ja, soll er nur brennen!«
    Sollte sein schreiender Körper nur jene Laute ausmerzen, die immer noch in ihrem Ohr nachklangen: das Krachen des Gebälks,

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