Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
Vom Netzwerk:
weil sie die Peitsche des Aufsehers fürchteten. Nicht alle ruderten, manche schliefen, was offenbar bedeutete, dass sie hier nicht nur schufteten, sondern auch lebten. Wahrscheinlich betraten sie das Deck nur selten und waren deswegen nicht zugegen gewesen, als die anderen über Caterina hergefallen waren. Ein wenig leichter fielen ihr nach dieser Erkenntnis die Schritte, gleichwohl sie erst wieder befreit atmen konnte, als sie den Raum verlassen hatte.
    Im Heck roch es nicht minder nach Teer, Schweiß und Salz, jedoch vermischte sich der Gestank mit dem kräftigen Geruch nach Fleischbrühe. Caterina hatte nach dem Schrecklichen gedacht, nie wieder Hunger haben zu können, und hob nun doch schnuppernd die Nase.
    »Neben den Wohnräumen am Heck ist die Küche«, gab Akil endlich sein Schweigen auf, »unter freiem Himmel, damit es nicht qualmt. Darunter ist der Keller und daneben der Stall mit ein paar Schafen und Ziegen. Und wir, wir müssen hier hoch.«
    Er drängte sie zu einer Holzleiter, die sie nach oben stiegen. Höher als das restliche Schiff war der Aufbau – das dreistöckige Kastell. Auf der untersten Ebene waren weitere Kisten gelagert – offenbar Wertgegenstände, die nicht mit dem übrigen Handelsgut aufbewahrt werden sollten, sondern in der Nähe des Herrn. Im obersten Stockwerk, so sagte Akil, war der Steuermann mit seinen Matrosen untergebracht. Und im mittleren wohnte Gaspare.
    Nunmehr wieder schweigend stieß Akil die Tür auf, um dann zurückzutreten und sie eintreten zu lassen, während er selbst draußen verharrte. Sie zögerte kurz, hoffte, der Knabe würde sie mit seinem Herrn nicht allein lassen, denn seine leisen, gleichwohl bestimmten Bewegungen verhießen ein Mindestmaß an Ordnung. Doch als sie ohne ihn den Raum betrat, bemerkte sie, dass sich die eigentümliche Nüchternheit von vorhin wieder über sie gesenkt hatte. So sehr damit beschäftigt, den Gang hinter sich zu bringen, ohne zu zerreißen, hatte sie die Furcht vor jenem Gaspare vergessen. Zu ihrem Erstaunen blieb sie auch jetzt aus, gleich so, als gäbe es in ihrem Leben nur mehr zweierlei Zustände – den der nackten, ungezähmten Angst und den der kühlen Beherrschung, aber nichts dazwischen.
    Ihr eben noch schmerzender Leib war wie abgestorben. Ihre Augen nahmen im trüben Licht, das einzig von einer schmalen Luke an der Decke des Raums und einem brennenden Kienspan gespeist wurde, diesen dürren, spitzen Mann wahr, den freudlosen Zug um die bläulichen Lippen, die ungesunde, gelbliche Gesichtsfarbe und den verschlossenen Blick.
    Davide hatte gesagt, dass Gaspare des Teufels sei wie sein verfluchter König, dem er diente. Das war Pere von Aragón, wie sie wusste, nicht nur der Feind Frankreichs, sondern auch seines eigenen Bruders Jaume.
    Doch das machte – zu ihrem eigenen Erstaunen – aus seinem Gesicht noch keine Fratze. Auch dass er es war, der sie seinen Männern ausgeliefert hatte, gleichwohl er sich selbst nicht dazu herabgelassen hatte, sich an ihr zu vergreifen, zeugte in diesem Augenblick weder Empörung noch Grauen, nur jene Kälte, die sämtliche Gefühle hatte erfrieren lassen.
    Sie senkte den Blick nicht vor seinen Augen. Sie waren schmal und dunkel, blitzten weder wie jene von Davide, noch verhießen sie die Sanftmut des Knaben Akil, der sie zu ihm gebracht hatte. Hart war der Blick, aber nicht eigentlich böse, eher so, als würde er nicht dazu dienen, selbst zu schauen, sondern dem Gaffer nur ein Spiegel zu sein, an dem jener abprallt.
    Noch immer fühlte Caterina, wie warmes, klumpiges Blut über ihre Schenkel rann, eine Pfütze neben ihren Füßen bildete. Doch auch die Scham schaffte es nicht, sie zu erreichen, sondern perlte an ihr ab wie das Blut, vielleicht, weil Gaspare durch sie hindurchstarrte, anstatt sie interessiert zu mustern. Ob seiner Gleichgültigkeit fand sie auch den Mut, sich ein wenig in der niedrigen Kammer umzusehen. Einige Karten waren auf seinem Tisch ausgebreitet, ähnlich jenen, wie sie sie bei dem mallorcinischen Kartographen in Perpignan gesehen hatte, nur viel kleiner, und neben ihnen stand ein sonderbares Gerät, von dem sie später erfuhr, dass es ein Astrolabium war, mit dem man den Stand der Sterne messen konnte.
    »Ist es wahr, dass du schreiben kannst?«, fragte er da plötzlich. Die Stimme verhieß nicht mehr Lebendigkeit als sein Antlitz. Ob sie jemals laut werden konnte? Mit Davide hatte Gaspare nur geraunt, und auch als er sie den Männern mit den Worten »Macht, was

Weitere Kostenlose Bücher