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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Bei seinem Anblick dachte ich daran, was Julia mir über seine Geburt erzählt hatte. Dass er dabei nicht nur seine Gesundheit verloren hatte, sondern auch seine Mutter.
    Ob dies der Grund war, warum Julia sich selbst hartnäckig einer Ehe verschloss, die womöglich gleiches Schicksal mit sich brachte?
    Ich werde nie eines Mannes Weib, hatte sie gesagt. Ich hatte diese Worte ganz deutlich im Ohr, nun, da ich sie aufsuchte. Als ich sie das erste Mal gehört hatte, so verhießen sie nur ungeheuerliche Auflehnung gegen selbstverständliche Pflichten. Nun verhießen sie Hoffnung.
    Gaetanus mochte sie mit dieser matten, dunklen, traurigen Sehnsucht anglotzen, soviel er wollte. Aber es war doch eigent- lich unmöglich, dass sie sich davon rühren ließ. Nicht, wenn ich ihr rechtzeitig davon kundtat, sie warnte, sie aufforderte, seine Nähe zu meiden. Erstmals ging mir durch den Kopf, dass dies ein Ausweg war, eine Möglichkeit zu handeln und etwas gegen den Schmerz zu tun.
    »Willst du zu meiner Schwester?«
    Ich hatte nicht gehört, dass Aurelius mir gefolgt war, langsam und schleppend, aber beharrlich. Gleichwohl sie einander im Aussehen nicht glichen, zeugte diese Eigenschaft – die Sturheit – vom gleichen Blut, das in ihren Adern floss.
    Ich nickte.
    »Sie ist nicht allein«, sagte er da rasch. »Sie hat eben Besuch empfangen. Du ...du solltest sie nicht stören ...«
    »Es wird ihr nichts ausmachen«, gab ich zurück.
    Ich ging noch schneller, schüttelte Aurelius ab, erreichte ihr Gemach – und wollte schon eintreten.
    Da hörte ich Stimmen, vertraute Stimmen. Ich hatte sie schon einmal vernommen.
    »Wir müssen uns vorbereiten«, sagte die eine. »Wir müssen uns überlegen, was wir im Ernstfall tun, wenn auch hier auf Corsica ...«
    Der Satz wurde nicht zu Ende gebracht. Er stammte aus dem Mund jenes alten Mannes, der einst bei der sonderbaren Versammlung zugegen gewesen war und sich bemüht hatte, Julias und Marcus’ Streit zu beenden.
    Ich erkannte ihn an seiner Stimme, noch ehe ich durch den Türspalt spähte. Etwas gebückt, wenngleich mit kraftvollem Schritt ging er in Julias Zimmer auf und ab, die Stirne in nachdenkliche Runzeln gelegt.
    »Ich habe gehört ... Ich habe gehört, dass manche an ihrer statt Sklaven schicken, dass wiederum andere die Priester bestechen.« Es war Marcus’ Stimme. Gleichwohl ich nur seinen Rücken sah, erkannte ich ihn wieder.
    »Das ist Heuchelei!«, fuhr Julia dazwischen. »Nur wer mit dem Herzen glaubt und mit dem Mund bekennt, wird Gerechtigkeit erlangen!«
    Ihre Augen funkelten, ihre Stimme klang heftig.
    »Und was willst du tun, Julia, wenn ... wenn es auf diese Insel schwappt?«, zischte Marcus, offenbar gereizt von ihrem Widerspruch. »Was, denkst du, wird Gaetanus entscheiden, wenn er die Neuigkeiten aus Rom hört, wenn ... wenn er den Befehl erhält, wie alle anderen Statthalter vorzugehen?«
    »Er scheint mir nüchtern, nicht grausam«, erwiderte Julia gefasst. Allein sie über ihn sprechen zu hören versetzte mir einen Stich ins Herz. Doch ich gab mich nicht zu erkennen. Wie einst vor dem ärmlichen Haus lauschte ich auch heute heimlich – diesmal erfolgreicher, denn Marcus spürte mich nicht auf.
    »Viele sind nicht grausam – und wollen uns dennoch vernichten«, klagte jener eben. »Sie verzichten auf keine Folter, drohen uns mit schrecklichen Martern, bringen uns auf unmenschliche Weise zu Tode! Warum, warum? Warum lässt man uns nicht in Frieden leben? Haben wir etwas getan in den letzten Jahrzehnten, das nach Auflehnung roch, nach Revolte? Wir waren doch anständige Bürger, wir haben unsere Steuern bezahlt, gebt des Caesars, was des Caesars ist, und ...«
    »Pah!«, rief Julia, und ihre verächtliche Stimme war von einer wegwerfenden Geste begleitet. »Vielleicht haben wir es uns zu bequem gemacht, uns eingerichtet in dieser Welt. Das ist nicht, was von uns gefordert wird. Marcus, Quintillus, ich bin bereit für den Kampf, und ich bin bereit zu sterben, wenn das von mir verlangt wird. Wenn der Kaiser uns nicht in Frieden lässt, so wollen wir ihm nicht die Genugtuung gönnen, lautlos und ohne Protest einfach aufzugeben und zu verschwinden. Wir müssen ihm etwas entgegensetzen!«
    Jetzt wusste ich, wie jener alte Mann hieß. »Ich schätze deine Stärke, Julia«, gab Quintillus nachdenklich zurück. Er sah sie nicht anklagend an, wie Marcus es tat, sondern durchschritt weiterhin unruhig den Raum. »Dich ehrt deine Entschlossenheit. Doch wenn man dich reden

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