Die Tochter des Ketzers
getröstet. Immer noch konnte sie nur an ihn gepresst einschlafen, obwohl sie nie darüber sprachen, niemals klärten, ob er es ihr oder sich selbst zuliebe tat. Eines Morgens nun, da sie betete und er wie üblich seine Klagen anstimmte: Wohin segelten sie? Was plante Gaspare mit ihnen?, so hörte sie, wie die Panik langsam aus der Stimme wich und statt ihrer ein Ton durchklang, der sie an Davide erinnerte: Beleidigt und nörgelnd klang er, gereizt.
Und gereizt blieb er. Er schimpfte über das Essen, das sie bekamen, über das Wasser, das faulig schmeckte, und den Zwieback, der entweder steinhart oder halb von Maden zerfressen war. Nicht auszuhalten auch jener Gestank, der vom Wasser, das sich im Schiffsrumpf sammelte, hochstieg. Schließlich sprang er auf, anstatt ruhig in der Ecke zu kauern wie bisher, schüttelte seine Glieder durch und begann, auf und ab zu wandern wie ein gefangenes Tier. Er ging nicht einfach nur, er hieb seine Fersen in den Boden, als könnte er solcherart das Gefängnis durchlöchern. Jedes Mal, wenn er an eine hölzerne Wand stieß, schlug er mit der Faust dagegen, begleitet oft von einem grimmigen Brummen, wenn er sich einen Schiefer einzog.
Lange missachtete Caterina ihn. Doch ihre Gleichgültigkeit mäßigte ihn nicht, sondern schien ihn nur noch mehr anzustacheln, ihr die eigene üble Laune aufzuzwingen. Anstatt auf und ab zu gehen, umkreiste er sie mehrmals, und als sie, eher verwundert als neugierig, aufblickte, ließ er sich vor ihr auf die Knie fallen und schrie ihr anklagend ins Gesicht: »Glaub nicht an den falschen Gott, dann bist du sicher! So bin ich doch auch immer durchgekommen! Bekenn dich zu nichts, und du wirst niemals ein Ketzer sein und brennen! Es war so einfach. Und jetzt ist mir das geschehen ...«
Sein Speichel traf sie; seine Augen hingegen wichen ihr aus. In tiefe Höhlen schienen sie versunken zu sein.
Wie erbärmlich er aussieht!, ging ihr durch den Kopf.
»Es ist deine Schuld«, sagte sie nüchtern.
»Ach was!«, gab er unwillig zurück, schüttelte seinen Kopf, stand wieder auf. »Ja, ich habe dich hintergangen! Ja, ich wollte deine Reliquie teuer verkaufen! Und ja, Davide ist ein Schlitzohr wie ich, und es war vielleicht leichtgläubig, mit ihm Geschäfte zu machen. Aber das hier ... das ...«
Er ächzte die letzten Worte mehr, als dass er sie sagte.
Unwillkürlich erhob auch sie sich, blickte ihm wieder ins Gesicht.
»Und das sagst du ... mir?«, fragte sie.
Er zuckte zusammen, senkte den Kopf. »Ja, ja«, gab er gereizt zurück, »ich weiß, ich bin der größere Schuft, du bist die Unschuldige, und dich hat’s trotzdem härter getroffen. Aber was kann ich denn anderes tun, als zu bekunden, wie leid es mir tut, wie gerne ich es dir erspart hätte? Geht es dir dann besser?«
»Nein«, bekannte sie kalt.
»Ach, hätte man mich doch ins Meer geworfen! Ersoffen wäre ich lieber, als in dieser engen Kammer langsam zu ersticken!«
»Wenn du stirbst, kommst du in die Hölle – nach all dem, was du getan hast.«
Sie sprach es ohne Überzeugung, so selbstverständlich und gleichgültig wie ihre Gebete.
Durch seine Gestalt fuhr ein Ruck, er blickte hoch, und inmitten des Trübsinns, des Überdrusses blitzte etwas auf, was an den früheren Ray erinnerte, etwas Lebendiges, Spöttisches.
»Ha!«, stieß er aus, und sein Mund verzog sich zu einem Grinsen. »Ha! Hätt’ mir nicht vorstellen können, dass mich solch Worte je erfreuen würden. Kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, aus deinem Mund zu hören, dass ich ein Sünder bin. Hast dich also doch nicht verändert. Bist immer noch die Alte.«
Sie sagte nichts darauf, und er vermied augenscheinlich, in ihrem Schweigen nach etwas zu stöbern, was seiner Annahme widersprechen könnte. Wieder strich er unruhig auf und ab, doch er hieb seine Fersen nicht mehr so gewaltsam in den Boden wie vorhin, sondern folgte gehend dem Takt der Worte, die aus ihm heraussprudelten.
»Gut, gut«, setzte er an, »wir dürfen hier nicht irre werden. Wir dürfen uns nicht erlauben, langsam zu verfaulen. Wir ... wir müssen unseren Geist beschäftigen.«
Um Zustimmung heischend blickte er auf Caterina, doch jene war wieder auf ihre Knie gesunken, und ihre Augen waren so leer, als wäre darin nichts von jenem Geist, den er beschwor, verblieben. Er schien sich nicht daran zu stören.
»Ja!«, bekräftigte er sich selbst. »Wir müssen uns unterhalten, müssen uns die Zeit sinnvoll vertreiben. Das sollte keine
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