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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Barcelona nach Messina einmal in acht Tagen zurückgelegt wurde, ein andermal in drei Wochen. Oder sie schrieb in Gaspares Geschäftsbücher: Jeweils zwei Seiten Pergament lagen dann vor ihr, wobei auf dem einen das Wort »dare« stand und auf dem anderen »avere«. Sie wusste anfangs nicht, was das genau zu bedeuten hatte, bekam von Gaspare jedoch die Anweisung, diverse Waren und deren Menge – es waren dies Silber, Salz, Holz, Fisch, Wolle und Käse – sowie Geldbeträge, in französischen Sous oder in pisanischen Silbermünzen gerechnet, im Genovino, der Währung Genuas, oder in Fiorini d’auro, wie sie in Florenz üblich waren, entweder auf die eine oder andere Seite zu schreiben. Nach und nach erkannte sie, dass er auf diese Weise festhalten wollte, wie viel er eingenommen und ausgegeben, gekauft und verkauft hatte.
    Dass er derart auf Ordnung erpicht war, verwunderte sie. Doch wer er nun wirklich war – ob Verbündeter des Königs Pere von Aragón, wie Akil ihn bezeichnet, oder ob der Pirat, für den sie ihn hielt und als den ihn Davide bezeichnet hatte –, so schien er in jedem Falle richtige Geschäfte abzuschließen wie jeder Kaufmann, wenngleich die Grenzen zwischen Handel und Raub wohl mal weiter, mal enger gezogen wurden.
    Sie kam nicht umhin, sich zu fragen, warum er selbst – der einen steten Überblick über seine Handelsgüter zu haben schien und diesen ohne nachzudenken benannte – weder lesen noch schreiben konnte. Dumm war er wohl nicht; und Pere von Aragón hätte ihn nicht in seinen Dienst genommen (worin immer dieser auch bestehen mochte), wenn er nicht einen entsprechenden Namen, eine entsprechende Herkunft vorzuweisen gehabt hätte. Doch warum hatte er nicht gelernt, was sämtliche Söhne großer Familien beigebracht bekamen? Zur Perfektion brachten jene es gewiss nicht, viel wichtiger war das Beherrschen der Waffenkunst–aber jeder seines Ranges hätte zumindest überprüfen können, was Caterina da aufschrieb. Gaspare tat es auch, indem er dann und wann aufstand, seinen Blick über die Bögen streifen ließ, aber er blickte dabei nicht sonderlich verständig drein.
    »Warum«, fragte sie Akil, »warum kann er selbst nicht lesen und schreiben? Hieß es nicht, er stammt aus einer pisanischen Patrizierfamilie?«
    »So ist’s«, erwiderte Akil. »Doch wenn ich richtig verstanden habe, hat er seine Kindheit im Kerker verbracht.«
    »Kann mir nicht denken, dass er sich schon als Kind der Piraterie schuldig gemacht hat«, bemerkte Caterina erstaunt.
    »Er ist kein Pirat«, bekräftigte Akil. »Er ist Verbündeter von Pere von Aragón im Krieg gegen Charles d’Anjou.«
    »Das sagtest du bereits, obwohl ich immer noch nicht verstehen kann, warum ein Pisaner dem König von Aragón dient. Hat das mit seiner Vergangenheit im Kerker zu tun?«
    Akil nickte schweigend.
    »Aber wenn er nichts mehr mit seiner Heimat Pisa zu tun haben will«, fuhr Caterina fort, »weil er dort in einen Kerker geworfen wurde und sich lieber einem fremden König unterwirft – warum ist er dann mit Davide verfeindet, weil jener Genuese ist? Was schert er sich um dessen Herkunft, wenn ihm die eigene gleichgültig ist?«
    »Dass sie ihm gleichgültig ist, habe ich nicht gesagt. Im Gegenteil. Und Gaspare – er war auch nicht in einem pisanischen Kerker gefangen, sondern in einem genuesischen. Aber das ist eine lange Geschichte.«
    Manchmal war Caterina erstaunt, dass sie überhaupt mit Akil redete, dass sie zur Neugierde fähig war, dass nach dem schrecklichen Ereignis nicht jedes Wort längst zersplittert war, bevor es aus ihrem Mund treten konnte. Doch so wie sie einst nach dem grausamen Tod des Vaters weitermachen konnte und eine Pflicht zu erfüllen bestrebt war, wie sie zwar ohne Planung, aber doch mit ausreichend Findigkeit Ray gesucht und sich von ihm die Welt hatte erklären lassen, so gab es auch jetzt Stunden, die losgelöst schienen von ihrem Geschick und wie gefährdet es war, Stunden, in denen sie einfach Eindrücke sammelte, ohne sie zu deuten.
    »Woher rührt jener Streit zwischen Pisa und Genua?«, fragte sie ein anderes Mal.
    »Sie leben beide vom Handel im Mittelmeer«, antwortete Akil, »und wollen hierfür die besten Stützpunkte haben. Seit Jahrhunderten bekriegen sie sich deswegen. Und außerdem herrscht in Europa Streit zwischen den Weifen und den Staufern. Das sind Familien, aus denen die deutschen Kaiser stammen. Frankreich und Aragón bekriegen sich nicht zuletzt deswegen. Und auch die Städte

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