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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Italiens unterstützen entweder die einen oder die anderen. Pisa ist eher ghibellinisch, also stauferfreundlich. Genua weitgehend guelfisch, also welferfreundlich.«
    »Und wie«, fragte Caterina weiter, »fanden Gaspare und Pere zueinander?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Weiß nur, dass Gaspare irgendwann aus dem Kerker fliehen konnte, als er erwachsen war, dass er schließlich ein Handelsschiff übernahm und auf dessen Fahrten Vergnügen daran hatte, Genuesen auszurauben, aus Rache, dass sie ihn so lange gefangen gehalten hatten.«
    »Also ist er doch ein Pirat«, stellte Caterina nüchtern fest.
    Akil lachte freudlos auf. »Wer ist das nicht im Mittelmeer? Wie auch immer: In Collo, der Stadt, wo ich aufgewachsen bin und die König Pere mehrere Monate lang besetzt hat, gab’s eine Niederlassung pisanischer Kaufmänner. Gaspare meidet seine eigentliche Heimat – dort aber hielt er sich oft auf. Wie viele seinesgleichen machte er Geschäfte mit meinem Volk. Er teilte sich mit einem meiner Verwandten sogar den Besitz eines Handelsschiffes. Als Pere mit seiner Flotte kam, waren es die Pisaner, die ihm alles über das Land erzählten. In seinem Namen verhandelten sie mit unseren Stammesführern, boten ihnen an, ihnen Collo wiederzugeben, wenn sie nur ausreichenden Tribut dafür zahlten. Gaspare hat König Pere wohl beeindruckt, denn seit damals währt ihre Freundschaft. Im Krieg um Sizilien, der bald folgte, hat ihm König Pere sogar eine eigene Galeere anvertraut. Dies war ein großer Beweis seines Vertrauens.«
    Akil zuckte mit den Schultern, als wollte er bekunden, dass er von den Ereignissen nur berichtete, sie nicht beurteilte.
    »Sizilien?«
    »Eine Insel. Im Süden. Nicht weit von meiner Heimat.« Seine Augen glänzten kurz wehmütig. »Charles d’Anjou hat sie be- setzt, auf Wunsch des Papstes, doch gegen den Willen ihrer Bewohner. Sein Regiment schürte Hass, und alsbald verbündeten sich die Insulaner mit Pere von Aragón. Vor zwei Jahren, da lehnten sie sich mit seiner Unterstützung auf, massakrierten jeden Franzosen. Aus Rache griff Charles d’Anjou Aragón darauf an, doch Peres Flotte erwies sich als überlegen, für kurze Zeit fiel Charles sogar in ihre Hände. Eigentlich ist diese Flotte klein gewesen. Er besaß nur zweiundzwanzig Galeeren – eine ordentliche Flotte zählt üblicherweise bis zu achtzig.«
    Caterina bedeuteten die Zahlen nichts, wohingegen er – für seine Verhältnisse – außergewöhnlich begeistert klang.
    »Du weißt so viel, Akil. Weißt du auch, wohin wir segeln – und was uns am Ende erwartet?«
    »Ich weiß nur, dass Gaspare mir eines Tages den Freibrief, die Talla, schenken wird«, murmelte er. »Und ich wünsche dir Gleiches.«
    Caterina senkte den Blick. Mehr über Gaspare zu erfahren deuchte sie lebensnotwendig, die eigene Zukunft zu überdenken aber zu gefährlich. Während sie in Augenblicken der Furcht oder der völligen Nüchternheit davor gefeit war, drohten sie seine warmen Worte in jenes Zwischenland zu treiben, das inmitten äußersten Gefühls und völliger Erstarrung lauerte. Vielleicht brachte es die Antwort darauf, was sie noch vom Leben erhoffen konnte und ob nicht ihre ganze Welt zerstört war, doch zugleich kratzte es in ihrem Gedächtnis hervor, was ihr geschehen war. Sie zuckte zusammen, keuchte schwer, als würde ihr der Atem fehlen, und beugte sich unwillkürlich vor, als könne sie nur geduckt, nicht aufrecht stehend, die Erinnerung ertragen.
    Dumpf pochte der Schmerz, nicht nur zwischen ihren Beinen, auch in ihrem Kopf, als würde jeder einzelne Gedanke auf sie einstechen und – schlagen.
    »Wie ist dir?«, fragte Akil gleichmütig.
    Sie schüttelte den Kopf, als hätte sie ihn nicht verstanden. Langsam schwanden ihre Schmerzen, ließen Gedanken zurück, die sich, losgelöst von sämtlicher Erinnerung, irgendwie nackt anfühlten – und heimatlos.
Corsica, 251 n.Chr.
    Ich handelte wie im Traum – aber noch führte es zu nichts. Ich wusste, dass ich etwas tun musste gegen den Schmerz – aber noch fiel mir nichts anderes ein, als ihn auf Abstand zu halten, indem ich mich einfach abwandte.
    Ich hatte gedacht, dass ich nie wieder Julias Anblick ertragen könnte, aber als sie in den nächsten Tagen nach mir schickte, ging ich zu ihr, zu betäubt, um mich offen zu widersetzen, vielleicht auch einfach nur zu einfallslos.
    Im Atrium stand an eine der Säulen gelehnt Aurelius, ihr kleiner lahmer Bruder, und betrachtete mich aus seinen dunklen Augen.

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