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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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Ich erkenne das Ding über dem Tor - wie nennt man es? Das Wappen? Das ist die Villa Maria Paollo.«
    Rhodri schaute sie anerkennend an. »Die kenne ich auch. Ich habe mal einen Liederabend dort gegeben. Gut gemacht!« Er sprang auf.
    Jess starrte zu ihm hoch. »Wie kommen wir dahin?«
    »Ich habe einen Leihwagen, der steht gleich beim Hotel.« Er nahm Carmellas Hand und küsste sie. »Entschuldigen Sie, dass ich Sie so angeherrscht habe, aber es hat funktioniert, oder? Könnten Sie den anderen Bescheid geben, wo wir sind? Ich kenne den Weg, keine Sorge«, sagte er über die Schulter zu Jess, die ihm nacheilte. Im Laufschritt gingen sie zur Spanischen Treppe zurück und am Hotel vorbei und steuerten auf einen roten Mercedes zu, der unter den Bäumen auf der Piazza Trinità dei Monti parkte.
    »Das war Daniel, oder?«, sagte Jess, als sie in den Wagen stieg. »Aber wie hat er William dazu gebracht, mit ihm mitzugehen? Wie hat er ihn dazu gebracht, die Villa zu betreten?«
    »Das werden wir bald herausfinden.« Rhodri fädelte sich geschickt in den Verkehr ein.
    Vor Nervosität presste Jess die Nägel in die Handflächen. »Ist es weit?«

    »Nein, vielleicht fünfzehn Kilometer.« Rhodri bremste scharf und bog in eine Nebenstraße ab. Das Motorengeräusch hallte von den hohen Mauern und den mit Läden verschlossenen Fenstern wider. Dann bog er in eine weitere schmale Straße und wenig später auf eine Hauptstraße, die nach Süden führte. Dort gab er Vollgas. Bald hatten sie die Vororte erreicht, am Rand der verwaisten Straße standen vergammelte Plakatwände und in der Sonne gleißende Häuser, über dem Teer flimmerte die Luft.
    Der Mercedes raste über eine schnurgerade Landstraße, bis sie sich einem Dorf näherten, dann drosselte Rhodri das Tempo und fuhr an den Straßenrand. »Wir sind fast da. Die Villa steht im Dorf, links hinter der Kurve. Da kommt zuerst ein Tor und dann eine lange gerade Auffahrt. Ich war vor zwei Jahren oder so mal hier.« Rhodri schaute auf seine Uhr. »Wahrscheinlich ist es jetzt wegen der Mittagspause geschlossen.«
    Er hatte Recht. Als sie vor das hohe, elegant geschwungene schmiedeeiserne Tor vorfuhren, stellten sie fest, dass es mit einer Kette verschlossen war. Daneben hing, wie Carmella gesagt hatte, eine Tafel mit den Öffnungszeiten. Das Tor, über dem ein ebenfalls schmiedeeisernes Wappen prangte, glänzte in der Sonne. Die Villa würde erst am kommenden Tag wieder geöffnet sein. Rhodri und Jess stiegen aus.
    Jess biss sich auf die Unterlippe und schaute an den hohen Mauern auf und ab. Die Straße war verwaist, das Dorf schien im Dornröschenschlaf zu liegen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand kein Haus.
    »Und was, wenn wir uns täuschen?«, flüsterte sie. Auf der Fahrt hatte sie Rhodri einen Teil der Geschichte erzählt.
    Rhodri ging ein paar Schritte vom Wagen fort und schaute sich um. »Wir haben nichts anderes.« Dann unterbrach
er sich und sah sie nachdenklich an. »War es wirklich Williams Stimme?«
    Erschreckt schaute sie zu ihm. »Du meinst, jemand anderes hat von seinem Handy aus angerufen?« Ihre Zuversicht schwand. »Die Verbindung war grausam schlecht. Vermutlich könnte es auch jemand anderes gewesen sein.« Schaudernd brach sie ab. »Daniel?«
    »Möglich wäre es. Ich versuche gerade nachzuvollziehen, was passiert ist. Könnte es sein, dass Daniel dich angerufen hat? Um dich allein hierherzulocken?«
    »Wenn William und Daniel sich geprügelt haben«, flüsterte sie. »Dabei könnte er sein Handy verloren haben.«
    »Ist das möglich? Kann William sich wehren?« Rhodri klang ruhig, sachlich.
    »Er ist fit, ein Sportler.«
    »Und er hat ja mit Daniel gerechnet. Daniel hat ihn wohl kaum hinterrücks überfallen.«
    Jess und Rhodri tauschten einen Blick, dann schaute er wieder auf die leere Straße. »Ich mag mir gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn du allein hierhergekommen wärst.«
    Jess wich das Blut aus dem Gesicht. »Aber Carmella hat doch von William gesprochen. Sie hat ihn hier gesehen.«
    Rhodri zuckte mit den Schultern. »Da hast du Recht, aber wo ist das Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite?«
    Sie drehten sich um und betrachteten die hohe Mauer, die hinter ihnen stand.
    »Sollen wir ein Stück ins Dorf hineingehen?«, schlug Jess schließlich vor. »Da gibt es noch ein paar Häuser.«
    »Könnte es sein, dass Carmella sich getäuscht hat?«, fragte Rhodri nach kurzem Schweigen. Ihm war zunehmend unbehaglich zumute.

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