Die Tochter des Königs
kennenlernen kannst, und zum anderen, damit er sie tauft.«
Eigon machte große Augen. »Sie will Christin werden? Weiß Aulus Plautius das?« Pomponias Gemahl war als überzeugter Vertreter des traditionellen römischen Lebens bekannt.
Julius zuckte mit den Achseln. »Ich glaube nicht. Er ist momentan nicht in Rom und hat den Großteil seiner Dienerschaft mitgenommen.« Er zwinkerte. »Die Herrin Pomponia hatte schon immer ihre ganz eigene Art, Dinge in die Hand zu nehmen.«
»Unter anderem, Julia loszuwerden.« Eigon schaute zu ihm auf und erwartete, seine Miene würde bei der Erwähnung von Julias Namen weicher werden, doch seine Augen blieben unverwandt auf sie gerichtet, und sie glaubte zu sehen, dass ein leises Zucken um seine Mundwinkel spielte.
»Julia ist keine Frau, die ein besonderes Interesse an Religion oder an Philosophie an den Tag legt«, sagte er leise. Eigon hatte den Eindruck, dass er das nicht unbedingt als Kompliment meinte.
Aufgeregtes Stimmengewirr vor der Tür ließ sie beide aufschauen. Petrus war eingetroffen. Als der alte Mann die Stufen hinaufstieg und den Raum betrat, stützte er sich schwer auf seinen Stock. Rechts und links begrüßten Gäste ihn freudig. Eigon sah, dass Julius’ Großvater ihn begleitete und dass die beiden auf sie zukamen.
Petrus hatte warme, dunkelbraune Augen, die sie kurz betrachteten, ehe er ihr mit einem ernsten Lächeln die Hände entgegenstreckte. »Du bist also Eigon. Ich habe viel über dich gehört, mein Kind.« Sie spürte die Wärme und Liebe, die er verströmte. »Wie ich höre, bist du eine Heilerin.«
Mit einem bescheidenen Achselzucken senkte sie den Blick. »Ich tue mein Bestes, Herr.«
Er lachte. »Kind, nenn mich doch nicht Herr! Meine Freunde nennen mich Bruder. Dein Vater ist krank?«
Eigon nickte. »Er ist schon sehr lange krank. Aber es ist mehr als eine Krankheit. Er ist sehr unglücklich. Ihm fehlt unsere Heimat.«
Petrus nickte. »Und eure Heimat ist das ferne Britannien?«
Eigon nickte wieder. Dann schaute sie auf. Melinus stand hinter Petrus. Jetzt bemerkte er ihren Blick, lächelte und nickte ermutigend. »Kannst du für meinen Vater beten?«, fragte Eigon.
»Natürlich. Und ich bete auch für dich, Eigon. Jesus wird euch beide segnen.«
»Und meine Mutter und meinen kleinen Bruder und meine Schwester, die wir verloren haben«, brach es aus ihr heraus. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. So lange hatte sie schon nicht mehr von Togo und Gwladys gesprochen. Erstaunt merkte sie, wie leicht es ihr fiel, sich mit diesem Mann zu unterhalten, und sie hatte das Gefühl, als würde eine große Last von ihr genommen, wenn sie ihm ihre Sorgen und Ängste offenbarte.
»Jesus wird deine ganze Familie in seinen Armen wiegen, Eigon. Bete zu ihm, mein Kind. Er hört dich.« Einen Moment legte er ihr die Hand auf den Kopf, dann verlangte ein anderer Gast seine Aufmerksamkeit, und er wandte sich ab.
Eigon blieb unbewegt stehen. Julius warf ihr ein Lächeln zu. »Verstehst du, warum wir ihn lieben?«, fragte er leise.
Sie nickte. »Wird mein Vater jetzt gesund werden?«
Julius machte eine ausweichende Geste. »Manchmal werden Leute auf der Stelle gesund. Für andere ist es einfach an der Zeit, zu sterben, und dann sterben sie, aber sie ruhen in Jesu Armen. Er nimmt sie mit sich in den Himmel, wo sie an seiner Seite leben. Sie haben keine Angst mehr, Eigon, sie sind getröstet.«
Eigon verzog das Gesicht. »Mein Vater hat keine Angst. Er ist ein Krieger. Seine Götter erwarten von ihm, dass er tapfer stirbt. Dann kommt er ins Land der ewigen Jugend.«
Julius lächelte ein wenig. »Das klingt für mich wie der Himmel«, sagte er. »Nicht der Hades. Es gibt keinen Styx,
den man überqueren muss. Im Himmel gibt es Sonnenschein und Blumen und Engel.«
Eigon nickte zufrieden. »Die Inseln der Seligen«, flüsterte sie.
»Schau«, sagte Julius unvermittelt. »Gleich wird Petrus einige der Leute hier taufen. Manchmal macht er das im Freien an einem Fluss, aber das wäre hier in Rom zu öffentlich.«
Pomponia Graecina war die Erste. Petrus segnete ein Gefäß mit Wasser, malte damit das Zeichen des Kreuzes auf ihre Stirn und taufte sie auf den Namen Lucina. Als die frisch Getauften einen nach dem anderen tropfend und lachend von ihm zurücktraten, breitete sich eine Stimmung von Fröhlichkeit und Glück im Raum aus.
Angesteckt von der Freude rund um sie her, griff Eigon nach Julius’ Hand, ohne überhaupt zu merken, dass sie es tat. Die
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