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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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hast sie gefunden.«
    »Eigon?«
    »Natürlich.«
    »Aber das ist doch ein Junge.«
    »Auch bekannt als la principessa !« Carmella legte den Kopf schief. »Du glaubst, sie kann nicht als Erwachsene zu dir kommen, wenn du nach Wales zurückfährst? Warum nicht?«
    Jess machte eine hilflose Geste. »Es ist nur ein Gefühl. Ich möchte ihr helfen, aber das kann ich ja nicht. Es ist alles in der Vergangenheit. Ich kann die Vergangenheit nicht ändern!«
    »Wirklich nicht?« Carmella stellte die Frage fast beiläufig.
    »Wie denn?«

    »Manche Dinge hast du doch schon geändert. Indem du an sie denkst. Indem du auf sie aufmerksam machst. Indem du den Finger ins Wasser der Zeit tauchst, so dass sich die Oberfläche kräuselt. Du hast Titus geweckt und ihn in die Gegenwart geholt.«
    Jess spürte eine Woge der Übelkeit in sich aufsteigen. »Damit er von Daniel Besitz ergreift! Heißt das, dass er Eigon in der Vergangenheit in Ruhe lässt und stattdessen mich verfolgt?«
    Carmella überlegte eine ganze Weile. »Es wäre nicht passiert, wenn Daniel nicht offen für ihn wäre«, sagte sie dann nachdenklich. »Daniel brauchte Titusʹ Wut und Angst. Die beiden brauchen einander.« Sie schaute auf. »Deswegen ist es doppelt gefährlich für dich.«
    »Und wie schütze ich mich vor ihnen?« Jess begegnete Carmellas Blick und zwang sich, ruhig durchzuatmen.
    »Jess, du hast eine Eigenart mit Eigon gemein, und die ist sehr ausgeprägt.« Carmella legte drei weitere Karten aus, betrachtete sie kurz und schaute dann wieder auf. »Weder du noch sie ist bereit, sich auf jemand anderen zu verlassen. Du bist nicht bereit, dich einem Mann anzuvertrauen. Es gibt Männer, die dir gern helfen möchten, genauso wie es Männer gibt, die ihr helfen möchten. Aber ihr traut ihnen nicht. Ihr haltet sie nicht für stark genug.«
    »Welche Männer denn? William? Rhodri?«
    Carmella nickte. »Zumindest weißt du, wer sie sind.«
    »Aber es wäre nicht fair, sie in die Sache reinzuziehen. Das hat doch alles nichts mit ihnen zu tun.«
    »Aber sie sind doch schon darin verstrickt, Jess. William von Anfang an, er ist, wie wir tarocchi -Deuter sagen, das Herz aller Dinge. Dann stößt Rhodri dazu, und zwar zur gleichen Zeit, als Titus in der Geschichte auftaucht. Wird er der deus ex machina sein, der die Lösung der Geschichte
bringt, oder ist er der Katalysator, der im Kessel umrührt? Oder«, sie schaute auf, »wird er sich gar als der Bösewicht erweisen?«
    Wider Willen musste Jess lachen. »Das ist ja ein buntes Durcheinander von Bildern! Aber das muss mir doch das Tarot sagen können, oder nicht?«
    Carmella schüttelte den Kopf. »Ich kann momentan nichts anderes tun, als dir die Szene zu schildern. Ich sage dir, dass du aufpassen musst. Ich rate dir, William zu vertrauen.« Sie deutete auf den König der Münzen. »Zuverlässig. Loyal. Geduldig.« Sie schaute wieder hoch. »Vielleicht nicht gerade spannend, aber brauchst du momentan wirklich noch mehr Aufregung?«
    »Und Rhodri ist aufregend?«
    Carmella grinste spitzbübisch. »Ah, unser cantante lirico , unser divo . Ein gewaltiger Charakter auf der Bühne. Der Hauptdarsteller!«
    »Taucht er in Eigons Leben auf?«
    Carmella zog die Stirn kraus. »Da sehe ich ihn nicht. Aber dich sehe ich dort genauso wenig, Jess. Ihr seid stille Beobachter, keine Figuren in ihrem Drama. Auf deine Art bist du für dich selbst die größte Gefahr, Jess. Um Daniel zu entkommen, solltest du Rom verlassen, aber du willst nicht weg. Damit dir nichts passiert, solltest du im Haus blieben, aber du gehst auf die Straße. Du forderst die Gefahr heraus. Warum?« Sie blickte ihr unablässig in die Augen.
    Jess schüttelte hilflos den Kopf. »Ich kann einfach nicht anders«, flüsterte sie.
    In dem Moment klingelte die Türglocke und zerriss mit ihrem schrillen Ton die stille Vertrautheit. Erschreckt sprang Jess auf. »Ist das Daniel?«
    Carmella schüttelte den Kopf. »Das ist meine Verabredung. Es tut mir leid, Jess, aber ich muss weg.«

    »Ich gehe.«
    »Nein!« Carmella tänzelte an ihr vorbei zur Wohnungstür. »Nein, bleib! Bleib, solange du willst.« Sie öffnete die Tür und bat einen großen grauhaarigen Mann herein, den sie ins Wohnzimmer führte. »Henrico, das ist meine Freundin Jess. Jess, das ist meine Verabredung. Ich muss mich nur noch rasch anziehen, carissimo . Cinque minuti. « Auf dem Weg zur Schlafzimmertür zwinkerte sie ihm zu. »Jess, ich möchte, dass du hierbleibst. Bitte geh nicht nach

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