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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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wurde sie rot. »Wie lange habe ich denn geträumt?«
    Er machte eine wegwerfende Geste. »Nicht lange. Aber du hast nicht geschlafen. Du warst in einer Art Trance, dein Blick war in die Ferne gerichtet. Du hast einen Namen gerufen. Melinus.«
    »Melinus ist verhaftet worden. Er war ein Druide.« Ihre Verlegenheit verflog ebenso rasch, wie sie gekommen war. Jess stellte fest, dass es ihr überhaupt nicht peinlich war, mit Rhodri darüber zu reden.
    Rhodri hob die Augenbrauen. »Ein Waliser?«
    Sie nickte. »Das vermute ich mal. Er war mit Eigon befreundet.« Unvermittelt stiegen ihr Tränen in die Augen. »Er sollte umgebracht werden. Sie wollten ihn den Löwen zum Fraß vorwerfen.«
    »Warum?«
    »Weil er ein Druide war. Die waren verboten. Die Römer hatten panische Angst vor ihnen. Dabei war er so sanft und
gütig. Ein Gelehrter.« Sie fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Entschuldige. Jetzt weißt du, dass ich wirklich verrückt geworden bin!«
    »›Ich bin nur toll bei Nordnordost‹«, zitierte er. »Vergiss deinen Hamlet nicht.« Er warf ihr einen Seitenblick zu. »Und was ist mit Eigon? Was ist mit ihr passiert?« Jess bemerkte, dass in seinem Lächeln nichts Spöttisches lag.
    »Ich weiß es nicht. Sie haben ihn abgeführt …« Abrupt unterbrach sie sich. »Rhodri! Daniel ist noch hier!«
    Rhodri setzte sich auf. »Wo?«
    »Dreh dich nicht um«, flüsterte sie. »Er steht unten auf der Piazza an der Mauer und wartet offenbar.«
    Rhodri lehnte sich im Stuhl zurück und schlug lässig die Beine übereinander, als wollte er sich bequemer hinsetzen. In der Position hatte er die ganze Piazza im Blick. »Ich glaube, wir sollten uns jetzt wirklich einen Plan zurechtlegen«, sagte er ruhig. »Wenn er mag, kann er den ganzen Tag dort sitzen, das ist nicht verboten. Aber ich muss gestehen, mir behagt der Gedanke gar nicht, ständig von ihm verfolgt zu werden.« Dann lächelte er unvermittelt. »Aber wir können das Hotel ja auch auf anderem Weg verlassen!« Er gab dem Kellner ein Zeichen. »Dieser Herr wird dich zum Hintereingang begleiten. Ich bleibe hier sitzen, bis du draußen angekommen bist, und dann gehe ich mal zu Daniel und plaudere ein bisschen mit ihm.« Er setzte seine Sonnenbrille wieder auf und verschränkte die Arme, ein Bild größter Nonchalance, dabei war er sich nur allzu bewusst, dass Daniel ihn und Jess nicht aus den Augen ließ und jede ihrer Bewegungen registrierte. »Jess, ich habe meine Meinung geändert. Ich glaube, du solltest jetzt sofort zum Flughafen fahren und verschwinden.«
    »Aber was ist mit Eigon?« Jess war selbst überrascht, wie sehr die Vorstellung abzureisen sie bestürzte. »Ich kann
nicht weg, ohne zu wissen, was aus ihr und Melinus geworden ist.«
    »Das kannst du erfahren, wenn du wieder in Wales bist.«
    »Nein, das verstehst du nicht. Das geht einfach nicht. In Wales war sie nur als Kind. Muss sie gewesen sein, sonst wäre sie mir ja als Erwachsene erschienen. Wenn ich in Ty Bran bin, ist sie wieder ein kleines Kind, das im Wald Verstecken spielt. Ich muss hierbleiben!«
    »Jess!« Rhodri beugte sich vor, die Hände auf dem Tisch zu Fäusten geballt. »Nimm endlich Vernunft an! Jetzt habe ich dem Mann selbst in die Augen geschaut, und es gefällt mir gar nicht, was ich dort sehe. Er ist ein Psychopath. Er findet dich überall, ganz egal, wo du bist. Er will deinen Tod! Du darfst nicht in Rom bleiben.«
    Einen Moment herrschte angespanntes Schweigen. »Ich weiß, dass er das gesagt hat, aber er meint es nicht so, er will nur sicherstellen, dass ich …« Sie brach ab.
    »Er will nur sicherstellen, dass du ihm nicht schaden kannst, Jess.« Rhodri beugte sich noch weiter vor, bis sein Gesicht nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt war. »Er hat panische Angst, was du tun könntest.«
    »Aber er hat alles, was ich sagen könnte, von vornherein in Misskredit gezogen, indem er überall herumerzählt hat, dass ich verrückt geworden sei. Also bin ich keine Gefahr!«
    Rhodri seufzte. »Hoffen wir, dass du Recht hast.« Er überlegte kurz. »Weißt du noch, worüber wir uns unterhalten haben, bevor wir so rüde unterbrochen wurden? Über Religion. Ich glaube, jetzt ist der richtige Moment, es mal mit Beten zu versuchen. Es kann nicht schaden, und du weißt nie, ob’s nicht nützt. Und jetzt geh, Jess, bevor ihm klarwird, was wir vorhaben. Ich melde mich wieder, in Ordnung?«

    »Du bist also in Rom gefangen, genau wie Eigon!« Carmella schaute Jess mit einem fragenden

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