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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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Wahrscheinlich passt der Haushalt meines Vaters zu gut auf mich auf.« Sie zögerte. »Aber manchmal habe ich auch den Verdacht, dass er mit mir spielt.«
    Julius hob die Augenbrauen. Das war eine kluge Erklärung. Er nahm eine Bewegung in der Tür wahr und hob den Blick. »Julia!«
    »Julius!« Lachend lief sie zu ihm. »Warum hat mir niemand gesagt, dass du gekommen bist?« Sie schlang ihm die Arme um den Hals. »Eigon, du bist wirklich selbstsüchtig! Wolltest ihn ganz für dich behalten.« Sie drückte Julius einen Kuss auf die Wange. »Bist du gekommen, um mich zu den Spielen abzuholen?«
    Eigon wandte sich ab und ging zum Brunnen, wo sie ins Wasser schaute, das von den Rinnsalen, die über die Brunnenfigur hinunterliefen, ständig leicht bewegt wurde.
    »Ich bin bei den Spielen gewesen, Julia«, sagte Julius scharf. »Und ich habe nicht vor, noch einmal hinzugehen. Ich war dort, um Melinus sterben zu sehen.«
    Entsetzt starrte Julia ihn an. Dann drehte sie sich zu Eigon. »Hast du gewusst …« Kleinlaut brach sie ab. »Natürlich hast du’s gewusst. Es tut mir leid. Das ist schrecklich.
« Sie setzte sich auf einen Stuhl unter dem Feigenbaum und strich sich den Rock glatt. »Das kann ich verstehen, dass dir das die Spiele ein bisschen verleiden würde.«
    »Ein bisschen«, stimmte Julius trocken zu. Er ging zu Eigon. »Ich sollte nach Hause. Kommst du zurecht?«
    Sie nickte.
    Wieder legte er ihr sacht eine Hand auf die Schulter. »Pass auf sie auf«, sagte er zu Julia, als er an ihr vorbeiging, dann war er fort.
    Julia schaute auf, ihr Gesicht war leichenblass. »Der arme Melinus.«
    Eigon setzte sich neben sie. »Zumindest ist er jetzt frei. Jetzt kann er heimkehren ins Land der ewigen Jugend. Vielleicht sieht er von dort auch die Berge meiner Heimat.«
    »Du klingst, als würde sie dir immer noch fehlen«, sagte Julia verwundert. »Kannst du dich überhaupt noch richtig daran erinnern?«
    »Aber natürlich. Solange ist es auch noch nicht her.« Eigon seufzte. »Ich mag ja ein Kind gewesen sein, aber ich habe alles noch ganz genau in Erinnerung. Der Nebel und der Regen, das weiche Sonnenlicht, das die Wolken auflöst und das Land golden leuchten lässt. Die Apfelbäume, die sanfte Brise, die Hügel voll geheimnisvoller Schatten und rauschender Bäche. Und die Adler, die über den Bergen kreisen.«
    Und die Raben. Ganz unvermittelt kamen sie ihr wieder in den Sinn. Die Raben, Boten des Todes, die sich über dem Schlachtfeld sammelten und Caradoc mit ihren Schreien davor warnten, sich auf diesen Kampf mit dem Feind einzulassen. Er hatte das Omen missachtet, und sein Volk hatte dafür mit seiner Freiheit gebüßt. Und seine jüngeren Kinder - waren auch sie Opfer der Kriegsgöttin gewesen? Eigon schauderte.

    »Aber sie werden doch Tante Pomponia nicht den Löwen zum Fraß vorwerfen, oder?« Allmählich wurde Julia die ganze Tragweite dessen klar, was am Vormittag passiert war. Sie presste die Lippen zusammen. »Eigon, wir müssen sie retten!«
    Eigon lächelte. »Deiner Tante wird nichts passieren«, sagte sie beruhigend. Julius hatte ihr bereits erzählt, was geschehen war. Wie das Gesetz es verlangte, war Pomponia Graecina einem Hausgericht vorgeführt worden, dem ihr Gemahl vorsaß, und er hatte die Vorwürfe, die gegen sie erhoben wurden, als kompletten Unsinn zurückgewiesen. Sie war bereits freigelassen.
    Eines von Titus’ Opfern war ihm also entschlüpft. Eigon stand auf und ging wieder zum Brunnen, um ins Wasser zu blicken. Allmählich wurde ihr klar, wie ihr Verfolger vorging. Bekümmert fragte sie sich, wer wohl der Nächste sein würde.
     
    Jess saß zurückgelehnt in dem Terrassenstuhl und schaute in den Himmel hinauf. Mittlerweile war es Abend geworden. Die vielen Gerüche aus den zahllosen Küchen, in denen für drei Millionen Römer das Abendessen zubereitet wurde, hingen in der Luft. Jess lächelte. Essen war das Letzte, nach dem ihr jetzt der Sinn stand. Aber sie würde gern mit jemandem sprechen. Jemanden anrufen. Steph. Kim. William. Wie es ihm wohl ging, und wo er war? Aber Carmella hatte Recht. Das durfte sie nicht. Sie durfte nicht einmal daran denken. Daniel und Titus streiften irgendwo dort draußen durch die Straßen und lasen jeden ihrer Gedanken.
     
    Titus hatte Daniel das Zuhören gelehrt. Das Zuhören mit allen Sinnen. Das war für Daniel eine völlig neue Erfahrung, und er war verblüfft über das viele »Zeug«, das da
draußen herumwirbelte und nur darauf wartete, gehört zu

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