Die Tochter des Königs
jungen Mannes war, mit dem sie Eigon jeden Umgang verboten hatte.
Caradocs Wangen hatten eine gesunde Farbe, er aß mit Appetit und unterhielt sich während des Essens angeregt mit den drei Frauen. »Ich sehe, dass die Gespräche mit Petrus Euch gutgetan haben, Herr.« Antonia lächelte warmherzig. »Ich habe gehört, dass Ihr Euch nicht taufen lassen wollt, aber Ihr müsst zugeben, dass Jesus ein großartiger Heiler ist.«
Caradoc nickte bedächtig. »Da gebe ich dir Recht, Kind. Das ist er in der Tat, und Petrus hatte unseren Melinus für seine Sache gewonnen.« Einen Moment herrschte bedrücktes Schweigen.
»Hast du Petrus erlebt, Mama?«, fragte Eigon, um die Gesprächspause zu füllen.
Cerys schüttelte den Kopf. »Ich bete zu keinen anderen Göttern als den meinen.« Sie umfasste die Hand ihres Mannes. »Ebenso wenig wie mein Gemahl. Allein der Gedanke! Und ich hoffe, du auch nicht.« Aus schmalen Augen warf sie Eigon einen Blick zu.
»Mama!« Eigon errötete. »Das ist nicht höflich unserem Gast gegenüber.«
»Keineswegs.« Cerys warf Antonia ein mattes Lächeln zu. »Antonia weiß, dass ich sie sehr liebe. Aber das heißt nicht, dass ich ihren Gott zu lieben brauche. Er hat seinen Anhängern und meinem lieben Melinus nichts als Probleme bereitet.« Sie seufzte.
»Melinus war kein Christ, Herrin Cerys«, stellte Antonia leise richtig. »Das war nicht der Grund, weshalb er festgenommen wurde.« Bekümmert ließ sie die Schultern hängen.
Eigon warf einen Blick zu dem Sklaven, der bereitstand, den Tisch abzuräumen, und nickte kurz. Er war noch sehr jung und schmal, kaum mehr als ein Junge, und hatte wache Augen und einen etwas krummen Mund, der sich oft zu einem Lächeln verzog. Sofort kam er zum Tisch und stellte klappernd das Geschirr zusammen. Amüsiert schaute sie zu ihm. Es war eindeutig, dass er das Gespräch verfolgt und beschlossen hatte, die Anwesenden auf andere Gedanken zu bringen. »Bitte bring jetzt das Obst, Silas.« Sie fing seinen Blick auf. »Und noch Wein für meinen Vater.« Ihr war der Junge schon mehrmals aufgefallen. Sie mochte ihn. Sie
durfte nicht vergessen, Aelius zu sagen, dass er ihm mehr Verantwortung übertragen sollte.
Ihre Gedanken wurden von einem markerschütternden Schrei aus dem Hof unterbrochen. Bestürzt sahen alle sich an. Caradoc setzte sich abrupt auf. »Was war das?«
»Warte, Vater, ich schaue nach.« Erschreckt lief Eigon zur Tür. Aelius stand mit drei Haussklaven im Atrium, zwei von ihnen waren tropfnass vom Regen. Aelius drehte sich zu ihr, sein Gesicht war leichenblass.
Er öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton heraus.
»Was ist los?« Caradoc trat hinter seiner Tochter in die Tür, stützte sich leicht am Rahmen ab. »Was ist passiert?«
Kopfschüttelnd schlug Aelius die Hände vors Gesicht, er wurde von Schluchzern geschüttelt.
Eigon lief zu ihm und packte ihn am Arm. »Was ist? Sag’s uns!«
»Die Herrin Julia«, sagte einer der Sklaven kaum hörbar. »Ich bin Brennholz holen gegangen und habe sie an der Mauer gefunden. Sie sah aus, als würde sie schlafen.«
Eigon gefror das Blut in den Adern. Entsetzt schaute sie zwischen dem Sklaven und Aelius hin und her. »Wo ist sie? Ich will sie sehen.«
»Nein, Herrin!« Der Sklave schüttelte den Kopf. »Nein, das solltet Ihr nicht.«
»Aber mir wirst du sie zeigen.« Caradocs Stimme war fest. Auf unsicheren Beinen trat er vor. »Jetzt sofort, Aelius.«
Der Regen prasselte auf den Hof, dicke Tropfen fielen klatschend auf die Pflastersteine und verwandelten den Staub in schlammige Rinnsale. Die Fackeln, mit denen die Sklaven dem König und Eigon den Weg wiesen, loderten zischend auf. Am Tor zur Straße lag eine dunkle, in bunt gemusterte Decken gehüllte Gestalt. Die Ecke über Julias Kopf
war zurückgeschlagen. Sie sah friedlich aus, hatte keine Verletzungen im Gesicht, der Regen hatte ihr das Haar aus der Stirn gewaschen. Mit zitternden Händen zog Eigon die Decke zurück. Die Schnittwunde an Julias Hals war sauber, alles Blut war vom Regen fortgespült. Die Kehle war fast bis auf den Knochen durchtrennt, sie war nackt bis auf die Decke und ein Dutzend Goldspangen um die Arme, die gekreuzt über ihrer Brust lagen. Mit einem kleinen Aufschrei wandte Eigon sich ab. Es war ihr Vater, der den Befehl erteilte, Julia ins Haus zu tragen und in ein Nebenzimmer zu legen. Dann ging er ins Atrium und ließ den ganzen Haushalt zusammenrufen.
»Ich will wissen, wer das getan hat und weshalb.« Sein
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