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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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Glas Grappa zu bringen.
    Erst am nächsten Morgen war ihm klargeworden, was er eigentlich getan hatte. Zuerst hatte er geglaubt, er würde ungeschoren davonkommen. Sie konnte sich eindeutig an nichts erinnern. Aber dann hatte sie peu à peu alles wieder zusammengestückelt. Er hätte sich ja denken können, dass die dumme Ziege nicht die Klappe halten würde. Sobald sie sich erinnerte, war ihm klar, dass er seine Karriere, seine Zukunft und seine Ehe verspielt hatte.
    Die Drohungen, sie umzubringen, hatte er nicht ernst gemeint. Natürlich nicht. Zumindest anfangs nicht. Er wollte sie einfach so weit einschüchtern, dass sie den Mund hielt. Aber das hatte nicht funktioniert. Wahrscheinlich hatte das alles nur noch schlimmer gemacht. Danach hatte er versucht, alle Leute davon zu überzeugen, sie hätte einen Nervenzusammenbruch gehabt. Das war nicht weiter schwierig. Seiner Ansicht nach hatte sie sowieso nicht alle Tassen im Schrank, mit den Gespenstern und den Stimmen und Visionen und den blutverschmierten Skizzenblöcken. Bei der Erinnerung schauderte er. Aber dann hatte die Stimme in seinem Kopf zu flüstern begonnen. Die Stimme eines anderen Mannes. Die Stimme, der er seit dem Tag in Ty Bran
folgte, als Jess über die Felder davongelaufen war und er zurückblieb und sich allein seinen Dämonen stellen musste.
    Er hatte nicht vorgehabt, danach noch weiterzumachen. Natürlich nicht. Er war ein kultivierter Mensch. Aber als er im Traum die panische Angst in Jess’ Augen sah, hatte ihn das erregt, und als er schwitzend im Bett aufwachte, hatte er nicht nur schier unstillbare Lust empfunden, sondern auch eine berauschende Erregung, hervorgerufen durch die Vorstellung, Jess tatsächlich zu töten. Der Mann in seinem Kopf wusste das. Der Mann in seinem Kopf würde ihn so lange drängen, bis er es wirklich tat.

Kapitel 22
    E igon ließ Flavius ins Atrium rufen. »Wann wollte Julia zurückkommen?« Draußen war es dunkel, vom Norden trieben schwarze Gewitterwolken über die Stadt. Normalerweise dachte Eigon nicht über Julias Kommen und Gehen nach, sie hatte zu viele andere Dinge im Kopf, aber an diesem Tag machte sie sich Sorgen.
    »Das hat sie nicht gesagt.« Verlegen trat Flavius von einem Fuß auf den anderen. »Sie war wütend, weil ich sie nicht begleitet habe. Wir haben uns gestritten.«
    »Dann schicke einen Boten zu ihrer Tante. Vielleicht hat sie beschlossen, wegen des schlechten Wetters bei ihr zu bleiben. Allerdings hätte sie daran denken können, uns das ausrichten zu lassen.« Eigon seufzte. Den ganzen Nachmittag war der Strom von Männern und Frauen, die sich am Tor einfanden und um ihre Hilfe baten, nicht abgerissen. Eigon hatte endlos Wunden verbunden, hatte Kräutertabletten und Heiltränke verabreicht und Ratschläge erteilt. Seit Melinus’ Tod arbeitete sie allein in der Kräuterkammer, und erst jetzt stellte sie allmählich fest, wie vielen Menschen er trotz seiner barschen Art doch geholfen hatte. Erschöpft ging sie durch das Atrium zum Wasserteich, in den sich der Regen aus den Rinnen ergoss. Das beständige Plätschern beruhigte sie ein wenig.

    Flavius kehrte kurz darauf zurück, Erleichterung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er wusste, dass es verkehrt gewesen war, Julia ohne ausreichende Begleitung aus dem Haus zu lassen, und er hatte sich nicht nur Sorgen um sie gemacht, sondern auch ein schlechtes Gewissen ihr gegenüber. »Ihre Sänfte ist zurückgekehrt mit der Nachricht, dass Julia die Nacht über ausbleibt.«
    »Gut! Wenigstens hat sie den Anstand besessen, uns das wissen zu lassen.« Verärgert schüttelte Eigon den Kopf. »Dann sag den Köchen, dass sie das Abendessen auftragen können. Ich erkundige mich, ob Papa aufstehen und sich zu uns setzen kann oder ob er es in seinem Zimmer serviert haben möchte.«
    Antonia saß bei Caradoc. Er wirkte lebhaft wie schon lange nicht mehr. »Diese reizende junge Dame hat mich unterhalten, damit deine Mutter eine wohlverdiente Pause bekommt, Eigon«, sagte er, als seine Tochter erschien. »Natürlich wollte sie eigentlich dich besuchen, aber du warst so beschäftigt, also habe ich sie festgehalten.« Er tätschelte Antonia die Hand.
    Als alle sich im Esszimmer einfanden, gesellte sich auch Cerys zu ihnen. Die Sklaven trugen die Speisen auf, und alle ließen sich auf den Liegen nieder. Cerys stieß sich offenbar nicht an dem Umstand, dass das Mädchen, dessen Gesellschaft ihrem Gemahl derart großes Vergnügen bereitete, die Schwester des

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