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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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sich wieder an ihren Platz vor den Karten. »Ich glaube nicht, dass das genügt.« Sie schaute eine Weile auf die Auslage, dann blickte sie zu Steph, die die Karten ebenfalls schweigend studiert hatte. »Du hast gesehen, was sie sagen?«
    Steph nickte.
    »Moment mal«, sagte William mit gerunzelter Stirn. »Was sagen sie denn genau?«

    Carmella machte eine nichtssagende Geste. »Dass Jess verschwinden soll, was du ja auch vorschlägst. Aber ich glaube nicht, dass sie in London sicherer wäre als hier.«
    »Vielleicht könnte ich mir ja einen anderen Namen zulegen. Mir die Haare färben.« Jess lächelte angestrengt. Dann schaute sie auf. »Wo ist Rhodri?«, fragte sie unvermittelt.
    »Keine Sorge, er ist noch in Rom.« Kim grinste vielsagend. »Er hat angerufen, um zu sagen, dass er hierbleibt, bis du in Sicherheit bist.«
    »Das ist nett von ihm.« Rhodri in der Nähe zu wissen beruhigte Jess. Sie fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. Sie war den Tränen nahe. »Aber es wird mir nichts nützen, mir eine neue Identität zuzulegen. Durch Titus findet Daniel mich trotzdem.«
    »Es gibt etwas, das du machen kannst«, sagte Carmella nachdenklich. »Du musst Eigon vergessen. Keine Fragen mehr, keine Nachforschungen mehr. Kein Rom mehr. Du darfst Titus - und Eigon - nicht mehr in deinen Kopf lassen. Das habe ich dir schon einmal gesagt. Und ich habe dir auch gezeigt, wie man das macht. Umgib dich mit Licht. Ruf nach den Engeln, damit sie dich beschützen. Das sind alterprobte Mittel, um sich zu schützen, Jess. Du musst sie benutzen. Wenn sie dich in deinem Kopf nicht erreichen, können sie auch nicht wissen, wo du dich aufhältst.«
    Jess sprang auf und trat an die Brüstung. »Aber ich kann sie nicht aus meinem Kopf vertreiben«, flüsterte sie. »Ich muss herausfinden, was passiert ist.«
     
    Daniel saß drei Straßen weiter in einer Bar. Mit zitternder Hand hob er ein Glas Grappa an die Lippen. Er hatte gesehen, was mit Julia passiert war. Durch Titusʹ Augen hatte er gesehen, wie er ihr die Kehle durchgeschnitten hatte. Sie
hatten sie vergewaltigt, dann hatte Titus sie umgebracht. Es war so einfach gegangen. Und so schnell. Zu schnell. Er nahm einen zweiten großen Schluck und fuhr sich mit dem Ärmel über die Lippen. Er hatte durch Titus’ merkwürdig bernsteinfarbene Augen gesehen. Er hatte empfunden, was Titus empfunden hatte. Es war aufregend gewesen. Es hatte ihm gefallen. Es war nicht dasselbe wie bei einer Schlacht, es war kein Kampf Mann gegen Mann, kein Kampf unter Gleichwertigen. Es war ein Opfergabe an die Götter.
    Und dann hatte er durch Titus’ Augen gesehen, wie es sein würde, wenn er, Daniel, an der Reihe war und wenn es sich bei der Frau, die hilflos vor ihm lag, um Jess handelte. Was, wenn er sie noch einmal vergewaltigte? Titus würde dabei sein und ihn verhöhnen, dass er sich zurückhielt, und dieses Mal würde Daniel sie töten. Das würde ihm Macht verleihen. Es war erregend.
    Er wusste immer noch nicht, weshalb er es damals, beim ersten Mal, getan hatte. Er hatte es nicht geplant. Oder doch? Er hatte das Fläschchen mit den Tropfen schon lange mit sich herumgetragen. Seit dem Tag, als er es bei einer Durchsuchung der Schließfächer in der Schule konfisziert hatte, fast, als hätte er gewusst, dass er es eines Tages brauchen würde. Er hatte bei der Disco zu viel getrunken. Es hatte ihn angemacht, die vielen jungen Mädchen zu sehen, die ihn so unverhohlen mit ihren Reizen in Versuchung führen wollten. Es hatte an dem Abend in der Turnhalle überwältigend nach Sex gerochen. Er hätte jedes der Mädchen haben können, aber er hatte Jess beobachtet. Hatte gesehen, wie sie mit Ash tanzte und wie der Junge provozierend seine Hüften an ihren rieb, hatte gesehen, wie Jess lachte. Dann hatte sie mit William getanzt, und er hatte gesehen, wie die beiden sich immer näher kamen. Und mit
wem hatte er tanzen können? Seine Frau saß zu Hause bei den Kindern. Er war ein Lehrer in leitender Position, er hatte mit der Frau des Direktors getanzt. Und mit der französischen Assistenzlehrerin. Das war besser. Und mit Jess. Einen Tanz konnte sie ihm kaum abschlagen. Aber sie hatte ihn auf Armeslänge gehalten, hatte ihn mit einem neutralen Lächeln abgefertigt und höflich zugehört. Und dann hatte sie wieder mit Ash getanzt. Da hatte er den Entschluss gefasst. Er würde ihr zeigen, worauf es beim Lieben wirklich ankam. Und das hatte er auch.
    Mit einer Geste bedeutete er dem Kellner, ihm noch ein

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