Die Tochter des Königs
stieß. Dann schob er die beiden Stoffhälften auseinander, so dass Eigon halbnackt vor ihm stand. Dieses Mal spuckte sie doch. Sie traf ihn direkt ins Auge. Ohne zu zögern, hob er die Hand und schlug ihr hart ins Gesicht. Vor Schmerz schrie
sie auf, taumelte gegen die Wand, aber schon hatte er sie am Arm gepackt, warf sie zu Boden und schnitt ihr mit dem Dolch die restlichen Kleider vom Leib. Sie war fast erstarrt vor Panik, als Hufgetrappel auf den Pflastersteinen draußen im Hof ihn innehalten ließ und er keuchend aufschaute. Dem Geräusch nach zu urteilen, war ein großer Reitertrupp eingetroffen. Ein gebrüllter Befehl hallte durch den Raum, dann ein zweiter. Fluchend ging Titus zum Fenster, dabei steckte er seinen Dolch in den Gürtel. Eine Gruppe Legionäre war in den Hof geritten, die Männer waren abgesessen und führten ihre Pferde zur Tränke, während sie sich dabei lautstark unterhielten.
Schnell bückte Titus sich nach einem Fetzen von Eigons zerrissener Tunika, stopfte ihn ihr in den Mund und befestigte ihn mit einem Stück ihres Gürtels. Dann wickelte er sie in seinen Umhang, band ihn mit dem Rest des Gürtels fest, hob sie auf und warf sie neben Antonia auf das Stroh. Grinsend sah er dann zu den beiden Frauen hinab. »Offenbar habe ich Verstärkung bekommen. Früher, als ich gehofft hatte, aber schließlich gibt es noch viele von euch, die wir zusammentreiben müssen!« Damit trat er zur Tür, warf sie auf und ging in den Sonnenschein hinaus.
Jess öffnete die Augen. Sie saß am Boden, den Rücken an die Wand gelehnt. Draußen war es dunkel geworden. Ihr war übel, und sie hatte Angst. Ihre Handflächen waren schweißnass. Lange Zeit blieb sie still sitzen und starrte in den Raum vor sich, während Schatten und Stimmen durch ihren Kopf wirbelten.
Der diensthabende Offizier marschierte direkt ins Haus und blieb dann stehen, um auf die beiden Frauen hinabzuschauen. »Wer sind die?«, fragte er barsch.
Titus war ihm ins Haus gefolgt. Er machte eine wegwerfende Geste. »Noch zwei Christinnen, Herr. Hier wimmelt es vor ihnen. Wir wollten sie gerade nach Rom bringen.«
»Das ist nicht nötig. Werft sie zu den anderen in den Wagen.« Auf seinen bellenden Befehl hin erschienen zwei Legionäre.
Ohne auf Titus’ Einwände zu achten, gab er seinen Männern ein paar kurze Anweisungen. Titus salutierte, seine Augen blitzten vor Zorn, als er zusehen musste, wie die beiden Frauen aus dem Stroh geschleppt und durch die Lederklappen auf den geschlossenen Wagen geworfen wurden. Dort landeten sie unsanft zwischen den anderen, die bereits dort lagen. Die zwei kleinen Kinder waren derart verängstigt, dass sie nicht einmal mehr zu weinen wagten. Eine Frau, vielleicht ihre Mutter, lag mit offenen Augen auf dem Rücken. Sie war tot. Zwei Männer waren aneinandergebunden und mit den Handgelenken an das Gerüst des Wagendaches gefesselt. Sie saßen ruhig da und beteten und machten keinerlei Anstalten, die beiden jungen Frauen anzusprechen, die zu ihnen hereingeworfen worden waren. Doch als sich der Wagen schlingernd in Bewegung setzte, krabbelte der kleine Junge, eines der beiden Kinder, zu ihnen und versuchte mit blutenden Händen, Eigons Knebel zu entfernen. Endlich gelang es ihm. Dann machte er sich an die Knoten des Ledergürtels, mit dem sie gefesselt war. Trotz ihrer wunden Lippen zwang Eigon sich zu einem Lächeln und flüsterte dem Jungen ein paar ermutigende Worte zu. Als er sie schließlich befreit hatte, bewegte sie mühsam ihre steifen Arme und drückte den Jungen an sich, um ihm einen Kuss auf den Scheitel zu geben. Dann kroch sie zu Antonia hinüber. Den Knebel konnte sie rasch entfernen, doch bis sie auch die Fesseln gelöst hatte, dauerte es sehr lange. Mittlerweile schauten die beiden Männer zu ihnen.
Sie legte einen Finger auf die Lippen, damit sie schwiegen, dann konzentrierte sie sich wieder auf Antonia. »In meiner Tasche. Dort drüben.« Unvermittelt hörte sie die heisere Flüsterstimme des einen in ihrem Ohr. »Da ist ein Messer.«
Nach einigem Suchen hatte sie es schließlich gefunden, löste den beiden Männern die Fesseln und horchte angestrengt, ob nicht einer der Soldaten vorne auf dem Wagen auf die Idee kam, nach seiner menschlichen Fracht zu schauen. Sie hörte die Männer mit den Wachposten scherzen, sie sprachen laut, um das Hufgetrappel zu übertönen.
Einer der Männer kauerte sich zu der toten Frau und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Möge unser Herr Jesus
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