Die Tochter des Königs
der Nacht abwarten.
Die Kinder schliefen sofort wieder ein, Antonia schmiegte sich an sie und fiel ebenfalls bald in einen unruhigen Schlaf. Die anderen drei saßen mit dem Rücken an die Baumwurzeln ihres Verstecks gelehnt und schauten in den strömenden Regen hinaus.
»Glaubt ihr, dass der Flusspegel steigen wird? Dann wäre das kein gutes Versteck«, sagte Stephanus nach einer ganzen Weile. Das Wasser floss strudelnd und tosend direkt unter ihnen vorbei.
Marcellus schüttelte den Kopf. »Das Ufer ist sehr steil, und das Wasser fließt zu schnell. Uns wird nichts passieren. Wir können beruhigt schlafen.«
Eine kurze Weile später war Stephanus eingeschlafen und schnarchte. Marcellus schaute zu Eigon hinüber. »Du bist noch wach?«
Sie nickte. »Ich habe nichts dagegen, mich einfach nur auszuruhen.« Sie machte es sich ein wenig behaglicher. »Du bist nicht aus Rom?«
»Nein.« Er lachte kehlig. »Und du auch nicht, obwohl du unsere Sprache fließend sprichst.«
»Ich komme aus Britannien.« Sie grinste.
»Und ich aus Ephesos. Ich habe Paulus dort predigen hören, ungefähr zehn Jahre ist das her. Er hat mich getauft, und ich bin einer seiner Gehilfen geworden. Vor drei Jahren bin ich mit ihm nach Rom gekommen. Als er nach dem Prozess freigesprochen wurde, hat er mich gebeten, hierzubleiben und seine Arbeit fortzusetzen, während er wieder auf Reisen ging.«
»Das heißt, dann bist du in größerer Gefahr als wir«, sagte sie nachdenklich.
Er lachte leise. »Ich glaube nicht, dass es unter diesen Umständen eine größere oder kleinere Gefahr gibt.«
Sie biss sich auf die Unterlippe. »Würdest du etwas für mich tun, Marcellus?«
Er hob die Augenbrauen. »Das kommt darauf an.«
»Würdest du mich taufen?«
Lange Zeit herrschte Stille. »Es wäre mir eine Ehre.«
»Du fragst mich nicht, ob ich weiß, was ich da tue?«
»Ich glaube, die Frage ist überflüssig.« Mühsam stand er auf. »Komm runter ans Wasser.«
Sie ließen die anderen schlafend zurück und traten in den Regen hinaus. Innerhalb kürzester Zeit waren sie beide nass bis auf die Haut. Marcellus lachte. »Gott tauft dich selbst mit seinem eigenen heiligen Wasser!«
Eigon lachte. »Ich sollte Antonia holen. Das würde sie miterleben wollen!«
»Das tut sie ja auch.« Er schaute über Eigons Schulter. »Wir müssen sie geweckt haben. Sie soll deine Taufpatin sein.
Stephanus soll bei seinen Kindern bleiben. Sie brauchen den Schlaf, um Kraft zu schöpfen für das, was ihnen morgen bevorsteht.« Halb kletterte, halb rutschte er das Ufer hinab zum tosenden Bach und streckte die Hand zu Eigon aus, um ihr zu helfen. Oben am Ufer stand Antonia, das Haar fiel ihr im Regen in nassen Strähnen über den Rücken.
»Was ist los? Was habt ihr vor?«
»Marcellus wird mich taufen«, rief Eigon. »Komm, sei meine Patin!«
Antonia schrie vor Entzücken auf. »Ach, Eigon, endlich! Ach, meine Liebe, jetzt bist du meine Schwester in Christus!« Sie rutschte das Ufer hinab zu ihnen, ihr Rock verfing sich zwischen ihren Beinen. Ein Donnerschlag ließ die Schlucht erzittern.
Die Zeremonie dauerte nur wenige Augenblicke, dann umarmten sich die drei und sprachen ein Gebet. Vor Kälte zitternd und erschöpft, kletterten sie schließlich wieder in ihr Versteck zurück, schmiegten sich in ihren nassen Kleidern wärmesuchend aneinander und versuchten zu schlafen.
Eigon blieb noch lange wach und schaute in den Regen hinaus, auch als das Gewitter nachließ. Sie empfand einen tiefen inneren Frieden. Was sie getan hatte, war kein Verrat an den Göttern ihrer Familie, sondern ein Zeichen, dass sie in einen größeren Kreis der Liebe, des Verständnisses und der Kraft eingetreten war, der sie den Rest ihres Lebens stützen würde. Flüsternd betete sie, dass ihre Mutter und ihr Vater wussten, dass sie in Sicherheit war und sie alle bald wieder zusammensein würden.
Als der Regen nicht mehr auf das Laub prasselte, breitete sich Stille über die Wälder, gestört nur vom Rauschen des Wildbachs. Langsam wurde es hell. Aus den hohen Bergen in der Ferne hörte Eigon das einsame Heulen eines Wolfs. Sie lächelte. Hinter ihr regte sich der kleine Junge, löste sich
aus der Umarmung seines Vaters und setzte sich wortlos neben sie. Sie legte einen Arm um ihn und zog ihn an sich. Er musste ungefähr im selben Alter sein wie ihr Bruder, als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. »Ist alles in Ordnung?«, fragte sie im Flüsterton. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass dieser
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