Die Tochter des Königs
Bergen zu uns herüber. Es führt uns von der Stadt und der Straße fort. Berge sind immer ein gutes Versteck. Stephanus, wir beten beim Gehen. Gott wird uns leiten.«
Eigon warf einen Blick zu Antonia. »Darf ich mich auf deine Schulter stützen?«
Antonia nickte. »Das ist alles nur meine Schuld. Du bist mir zu Hilfe gekommen.«
»Es ist nicht deine Schuld.« Eigon fuhr vor Schmerz zusammen, als sie mit dem Fuß auftrat. »Es war meine Schuld, dass ich so vertrauensselig war. Das war dumm von mir. Darüber reden wir am besten nicht mehr. Außer …« Unvermittelt schaute sie wieder zu Antonia. »Dein Großvater? Wo ist er? Julius ist zu uns gekommen, um nach euch beiden zu suchen.«
»Er ist in Sicherheit. Oder das war er zumindest, als ich die Villa verließ. Ich bin auch überlistet worden.« Sie machte eine hilflose Geste. »Ich war wirklich dumm!«
»Hat er …?« Eigon zögerte. »Hat er dir wehgetan?«
Antonia schüttelte den Kopf. »Er hat mir überhaupt nichts getan. Nur meine Würde verletzt.«
»Gott sei Dank!«
Antonia lächelte. »Das klang, als käme es von Herzen.«
»Das tut es auch.«
»Du hast Gott sei Dank gesagt, nicht den Göttern sei Dank.«
Überrascht schaute Eigon sie an. »Du hast Recht!«
Wie Marcellus vorgeschlagen hatte, gingen sie lange Zeit auf die Gewitterwolken zu, die über den Bergen hingen. Als sie schließlich die erste Erhebung erreichten und ein Haus sahen, das inmitten eines Gemüsegartens vor dem Wald lag, war es schon spät geworden.
»Ich schaue mal, ob ich für die Kinder Brot und etwas Ziegenmilch kaufen und herausfinden kann, wo genau wir sind«, sagte Marcellus leise. »Ihr bleibt so lange hier.« Sie hatten den Rand einer felsigen Schlucht erreicht, unter ihnen rauschte ein Wildbach, das steile Ufer mit den
verschlungenen Baumwurzeln bildete ein natürliches Versteck.
Alle sahen ihm nach, wie er auf das Haus zumarschierte. »Er ist ein guter Mann«, sagte Stephanus nachdenklich. »Lieber Gott, bitte schütze ihn.«
Maria und David hatten sich in dem Unterschlupf sofort aneinandergeschmiegt, zu müde und verängstigt, um zu jammern, und fielen in einen unruhigen Schlaf. Eigon setzte sich neben sie und sang ihnen leise eins der Wiegenlieder vor, an das sie sich aus ihrer Kindheit erinnerte.
Später saßen Stephanus, Antonia und Eigon am Rand des Baches und lauschten auf das Tosen des Wassers. »Glaubt ihr, dass wir hier sicher sind?«, fragte Antonia schließlich. Sie zitterte immer noch.
Stephanus zuckte mit den Schultern. »Vor den Männern, die uns gefasst haben, vielleicht. Wer weiß? Dieser plötzliche Hass gegen uns ist sehr merkwürdig. Als würden wir die Stadt in Brand stecken wollen!«
»Irgendjemand muss als Sündenbock dienen.« Eigon hatte die Knie angezogen. Mittlerweile zitterte auch sie. »Rom ist eine sehr große Stadt. Ein Feuer oder ein Dutzend, wer weiß das schon. Vielleicht war es wirklich nur ein Unglück.« Sie seufzte. »Marcellus sagte, er wolle versuchen, etwas zu essen zu kaufen. Heißt das, dass er Geld hat?«
Lange Zeit herrschte Stille. »Ich kenne ihn nicht«, sagte Stephanus schließlich. »Als wir festgenommen wurden, lag er schon im Wagen. Ich weiß nicht, woher er kommt.«
»War das deine Frau dort im Wagen, Stephanus?«, fragte Antonia. »Es tut mir leid, dass sie gestorben ist.«
Er nickte. Einen Moment legte er den Kopf auf die Arme, die auf den Knien lagen. Dann schaute er auf. »Zumindest ist sie jetzt bei Jesus.«
»Und sie wacht über dich und eure Kinder«, ergänzte Eigon. Einen Moment legte sie eine Hand auf seine. »Ich spüre, dass sie sehr nah bei uns ist.«
Verwundert schaute er sie an. »Woher weißt du das?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Das weiß ich einfach.«
Als hinter ihnen Schritte knirschten, sahen alle voll Angst auf, doch es war Marcellus, der vor ihnen stand. Über seiner Schulter hing eine Tasche, in den Armen trug er einen schweren Umhang. »Bruder und Schwestern, ich habe Essen und Wärme mitgebracht. Schaut.« Er setzte sich neben sie, öffnete die Tasche und zeigte ihnen zwei Brotlaibe, die noch ofenwarm waren, einen Krug Milch, ein Stück Ziegenkäse und zwei Pasteten. Er segnete die Speisen, dann weckten sie die Kinder und teilten das Essen unter sich auf. Das Gewitter wurde immer lauter. Nachdem sie gegessen hatten, machten sie es sich so gut wie möglich in der Höhle bequem, die von den Baumwurzeln gebildet wurde, und wickelten sich in den Umhang. So wollten sie das Ende
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