Die Tochter des Königs
Festung waren gefangen genommen worden, dazu Hunderte Krieger ihres Mannes. Einige von ihnen würden zweifelsohne ihren Namen bestätigen gegen das Versprechen, mit dem Leben davonzukommen. Die anderen waren tot. Tausende, hatte er gesagt. Sie legte den Schwamm beiseite und zog das Laken sorgsam über den schmalen Körper ihrer Tochter, den er betrachtete. »Wie geht es ihr?«
Müde stand Cerys auf. Eigons Augen hatten sich wieder geschlossen. »Die Götter segnen sie jetzt noch mit Schlaf.«
»Und sie hat kein Wort gesprochen?«
Cerys schüttelte den Kopf.
»Herrin, wir müssen Eure beiden anderen Kinder finden. Damit ihnen nichts zustößt. Sie sind ganz allein dort in den Bergen.« Justinus warf einen Blick zum Eingang des Zeltes und schüttelte leicht den Kopf. »Es ist besser, wenn meine Männer sie finden, als dass …« Er brauchte den Satz nicht zu beenden. Beide schauten auf die schlafende Eigon und schwiegen. »Ich habe mit unserem Kommandanten gesprochen, Publius Ostorius Scapula«, fuhr er dann leise fort. »Bislang gibt es noch keine Spur von Eurem Gemahl.«
Sie schloss die Augen und flüsterte ein Dankesgebet an die Götter. Wenn er dem Schlachtfeld entronnen war, würde er zurückkehren und sie holen.
»Vielleicht ist er gefallen, Herrin«, sagte Justinus sanft. Er hatte ihren Gedanken erraten. »Auf dem Schlachtfeld liegen noch Tote, die nicht geborgen sind.«
»Wäre er getötet oder gefangen genommen worden, wäre das laut vom höchsten Berggipfel verkündet worden«, sagte
sie scharf und straffte die Schultern, auch wenn sie dabei vor Schmerzen leicht zusammenzuckte. »Mein Gemahl ist ein König und der Retter seines Volkes, der größte Krieger Britanniens. Wäre er gefallen, würden wir das wissen.«
Er hob die Augenbrauen. »Da habt Ihr vermutlich Recht.« Er seufzte. »Scapula möchte mit Euch reden, Herrin. Ich sagte ihm, dass Ihr verwundet seid.« Er betrachtete die blauen Flecken auf ihrem Gesicht, am Hals und an den Armen und den Verband um ihren Knöchel, der sich unter dem Tuch und dem Umhang, in die sie gehüllt war, abzeichnete. »Er hat mir aufgetragen, Euch zu ihm zu führen, sobald Euer Zustand es zulässt.«
»Danke, dass Ihr mir zumindest diesen Aufschub gewährt.« Sie senkte den Kopf. Bis jetzt waren die Römer ihr gegenüber höflich, ja sogar rücksichtsvoll gewesen, dennoch war sie unleugbar eine Gefangene. Zwei Männer standen vor dem Zelteingang Wache, die Lanzen vor der Klappe, die als Tür diente, gekreuzt. Sobald der Präfekt erschienen war, hatten sie Habtachtstellung eingenommen, doch hinter ihm die Lanzen sofort wieder gekreuzt.
»Wenn Ihr etwas für Euch oder das Kind braucht, wendet Euch an den Wachposten«, sagte er mit einer Verbeugung. Als er fort war, setzte Cerys sich wieder zu Eigon an die Bettstatt und umfasste die weißen, kalten Finger ihrer Tochter.
Als Eigon das nächste Mal aufwachte, war die Lampe heruntergebrannt, das Öl spritzte im Pfännchen, im Zelt war es fast dunkel. Sie schaute sich um. »Mama?«
»Ich bin hier, mein Herz.«
»Wo ist Alys?«
Cerys presste die Lippen aufeinander. »Sie ist nicht hier, Eigon. Es tut mir leid.«
»Und Togo und Glads?« Vor Angst stieg Eigons Stimme in die Höhe.
Ihre Mutter schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wo sie sind.« Sie seufzte. Hatte der Offizier Recht? Wäre es besser, wenn die beiden bei ihr wären? Sicher besser, als in der Kälte der Berge geschändet und ermordet zu werden; aber was stand ihnen hier, im römischen Lager, bevor? Was würden die Römer mit ihr und ihren Kindern tun? Sie gefangen halten? Gegen Lösegeld freisetzen? Hinrichten? Entschlossen schüttelte Cerys den Kopf. Caradoc würde sie retten. Er würde einen Weg finden, ihr zu Hilfe zu kommen. Bis dahin musste sie dafür sorgen, dass die Kinder bei ihr blieben und ihnen nichts zustieß.
»Wo wart ihr, Eigon? Du bist mich suchen gekommen, aber die Kleinen waren nicht bei dir.«
Das Mädchen schaute bekümmert. »Ich habe gesagt, sie sollen sich verstecken. Ich habe ihnen gesagt, dass wir Verstecken spielen, wie du es uns aufgetragen hast. Ich habe ihnen gesagt, sie sollen erst rauskommen, wenn ich sie hole.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Warum haben die Männer mir wehgetan, Mama?«
»Das waren Soldaten, Eigon, dumme, gemeine Männer. Du musst versuchen zu vergessen, was passiert ist. Die Götter werden sie bestrafen für das, was sie getan haben.« Cerys schloss kurz die Augen, sie konnte es nicht
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