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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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ertragen, das gequälte Gesichtchen ihrer Tochter zu sehen. Sie atmete tief durch und öffnete die Augen wieder. »Eigon, wir müssen Togo und Gwladys finden. Weißt du noch, wo ihr euch versteckt habt?«
    Wieder schüttelte das Mädchen den Kopf. »Es war dunkel, der Wind hat in den Bäumen geheult. Ich konnte nichts sehen. Wir haben uns in einen Graben gekuschelt, da war es wärmer.« Tränen liefen ihr über die Wangen. »Ist ihnen etwas passiert?«
    »Ich weiß es nicht.« Cerys brachte die Worte kaum über die Lippen.

    »Das war kein Versteckspielen, oder?«
    »Nein, mein Herz, das war es nicht …«
     
    Versteckspielen!
    Die Worte hallten durch das Schlafzimmer, als Jess sich abrupt aufsetzte. Mit einem Schlag war sie hellwach. Der Mond war weiter gewandert, im Zimmer war es dunkel. Erschrocken sah sie sich um. »Sie erzählt mir ihre Geschichte. Eigon will, dass ich weiß, was mit ihr passiert ist. Sie weiß, dass ich sie verstehe, weil mir dasselbe passiert ist.« Jess stieg aus dem Bett, blieb einen Moment stehen und versuchte, ihren Atem zu beruhigen. Dann ging sie auf bloßen Füßen zum Fenster und sah hinaus. Dort herrschte jetzt auch Dunkelheit, nichts und niemand war auszumachen.
    Das beleuchtete Display ihres Weckers zeigte kurz nach drei Uhr. Jess schaltete das Licht an und schaute einige Sekunden auf ihr Kissen, bevor sie sich umdrehte und nach unten ging.
    In der Küche füllte sie Wasser in den Kessel und schloss die Haustür auf. Fast trotzig öffnete sie sie und sah in den Hof hinaus. Die Nacht war lau und sehr still, selbst die Bäume bewegten sich nicht. Immer noch barfuß trat Jess nach draußen und schaute zum Himmel, der von Millionen Sternen erleuchtet war. Staunend blieb sie stehen. Einen solchen Nachthimmel bekam man in London nie zu sehen. Es war spektakulär! Sie würde sich nicht im Haus einschließen, nur weil ein Traum ihr Angst eingejagt hatte. Sie hatte geschworen, sich nicht zum Opfer machen zu lassen. Sie würde sich nicht von einem Gespenst terrorisieren lassen, genauso wenig wie sie sich von dem Mann terrorisieren lassen würde, der sie vergewaltigt hatte. Zum Beweis dafür ging sie zum Tor. Die Pflastersteine waren warm unter ihren Füßen.

    »Eigon?« Sie flüsterte den Namen. »Eigon? Glads? Seid ihr da?« Jetzt sprach sie lauter. Mit einem Alarmruf flog eine Amsel aus dem Strauch vor dem Tor auf und verschwand in der Dunkelheit. Jess erstarrte, ihr Herz klopfte wie wild. Es ist nur ein Vogel, beruhigte sie sich. Nichts, vor dem sie Angst zu haben brauchte. Jess zwang sich weiterzugehen. Zwei Schritte. Dann noch einen. Sie streckte die Hände aus und umfasste die oberste Torstrebe. »Eigon?«
    Im Sternenlicht konnte sie den Weg gerade noch ausmachen. In einer Richtung führte er in den Wald, in der anderen zwischen hohen Böschungen den Berg hinab zur Straße im Tal. Weit in der Ferne sah sie zwei oder drei Lichter eines Dorfes, das sich in eine Senke der Berge schmiegte. Im Osten zeichnete sich die Silhouette eines Berges vor dem Himmel ab. Jess betrachtete die Konturen eingehender. Merkwürdig, dass es ihr nicht sofort aufgefallen war. Das war der Ort, an dem in ihrem Traum die Festung gewesen war. Die Festung, die sie lichterloh brennen sah, als die Frauen und Kinder vor den mordenden römischen Truppen flohen. Jetzt erkannte sie die auffällig abgestufte Form des Gipfels wieder, die vor dem Himmel aufragte.
    »Eigon?«, rief sie ein letztes Mal. Als sie keine Antwort bekam, machte sie kehrt und ging ins Haus zurück, schloss die Tür und verriegelte sie. Erst dann gestand sie sich ein, wie viel Angst sie dort draußen tatsächlich gehabt hatte.

Kapitel 5
    H allo, Steph, wie geht’s?«
    Der Anruf kam, als Steph am nächsten Morgen gerade den Palazzo verließ, um für das große Essen am Abend einzukaufen. Gäste in letzter Minute bedeuteten Einkäufe in letzter Minute, und Kim hatte sich bereits in der Küche verschanzt.
    »Hallo?« Steph blieb kurz stehen und schob die Sonnenbrille von ihrer Stirn vor die Augen. Die Stadt war aufgeheizt wie ein Backofen, die Hitze flimmerte über den Pflastersteinen auf der Piazza, der Verkehr toste an ihr vorbei. Der Palazzo, der jetzt in ihrem Rücken stand, war ein eleganter Renaissancebau. Die verblichene terracottafarbene Fassade blätterte bereits, hier und da waren Sprünge und Risse zu sehen, über die klassischen symmetrischen Fenster schwangen sich Girlanden und Wirbel in erlesenster Steinmetzarbeit. Die gewaltige Tür,

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