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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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es ist grauenvoll. Sie sind so klein!«
    »Bist du dir sicher, dass sie von einem Menschen sind?«, fragte Rhodri sanft.
    »Natürlich bin ich mir sicher!«, fuhr sie ihn an. »Was für eine blöde Frage. Natürlich ist es ein Kind!« Tränen liefen ihr über die verdreckten Wangen.
    »Wie in aller Welt hast du sie denn gefunden?«, fragte Jess schließlich. »Was habt ihr hier oben überhaupt gemacht?«
    Mittlerweile hatte Aurelia Steph mit einem Taschentuch die Tränen abgetrocknet. »Wir haben das Kind rufen hören«, sagte sie. »Immer wieder, es war herzzerreißend. Es hatte sich ganz offenbar verirrt. Steph dachte, es wäre dein Gespenst, aber sicher waren wir uns nicht. Natürlich nicht! Wir haben es beide gehört, und…«Kopfschüttelnd machte sie eine Pause. »Wir haben unser Mittagessen stehen lassen und sind hergekommen, um sie zu finden. Wir sind den Rufen gefolgt, immer weiter den Pfad hinauf. Wir riefen zurück und sagten, dass wir unterwegs sind. Hier oben hörte es dann auf. Die Stimme war völlig weg. Steph dachte, sie würde sich da verstecken.« Aurelia deutete zu den Steinen. »Wir haben immer wieder gesagt, dass wir hier sind und wir uns um sie kümmern wollen. Aber wir haben einfach nichts mehr von ihr gehört.« Zum ersten Mal stockte auch ihr die Stimme. »Nur diese entsetzliche Stille.«
    »Hat sie gefragt, ob sie mit dem Spiel aufhören kann?«, fragte Jess nach einem Moment mit heiserer Stimme.
    Steph nickte. Aurelia sah zwischen ihren Töchtern hin und her. »Ist das euer Gespenst? Eigon?«
    »Es ist nicht Eigon«, sagte Jess. »Ich glaube, es ist ihre jüngere Schwester - oder ihr kleiner Bruder. Als die Römer
sie gefangen genommen haben, waren die beiden weg, wie vom Erdboden verschluckt.«
    »O mein Gott!« Aurelia sah bekümmert drein. Sie warf einen Blick zu den Steinen. »Du meinst, sie oder er ist dort hineingekrochen und gestorben? Oh, das ist zu schrecklich, um sich das vorzustellen.«
    »Sie haben die Gegend hier tagelang abgesucht, aber sie haben die beiden nicht gefunden«, flüsterte Jess. »Irgendwann haben sie die Suche eingestellt und Eigon und ihre Mutter nach Süden gebracht. Ihre Mutter und ihr Vater sind in Rom gestorben.«
    »Und Eigon?« Aurelia schaute ihre jüngere Tochter an, deren Gesicht sehr blass war.
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was aus Eigon geworden ist.«
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte Rhodri nach einer weiteren längeren Pause. »Wir können das Kind doch nicht einfach da liegen lassen.«
    »Wir können aber auch niemandem davon erzählen«, warf Jess rasch ein. »Du weißt doch, was dann passieren würde. Die Polizei würde kommen. Sie würden sichergehen wollen, dass es kein Kind der heutigen Zeit ist. Sie würden die Knochen mitnehmen. Die Zeitungen würden von der Geschichte Wind kriegen. Dann würde es hier vor Menschen wimmeln! Wenn die Knochen wirklich alt sind, würden sie sie einem Museum geben, und da würden sie dann in einem Schaukasten liegen mit dem Etikett ›Kind der Eisenzeit‹ oder ›Römisch-britisches Kind‹. Dazu darf es nicht kommen!« Ihre Augen glänzten vor Tränen. »Das wäre entsetzlich! Wir dürfen niemandem davon erzählen. Wir müssen sie in Frieden ruhen lassen.«
    »Aber sie ruht nicht in Frieden, Jess«, widersprach ihre Mutter sanft.

    »Nein, aber sie weiß, dass wir jetzt wissen, wo sie ist.« Jess fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Ich kriech mal rein, ich will sie sehen.«
    »Bist du sicher?« Steph schüttelte abwehrend den Kopf. »Es ist schrecklich.«
    »Das glaube ich dir.« Jess nickte. Sie ging ein paar Schritte zurück und pflückte ein paar Fingerhut, die im Halbschatten unter einem der hohen Redwoods blühten. Sie warf einen kurzen Blick zu Rhodri. Er nickte ermutigend. Dann ließ sie sich auf alle viere nieder und robbte in die Dunkelheit.
    »Kann sie da drin was sehen?«, fragte Rhodri leise. »Du hattest gar keine Taschenlampe.«
    Steph nickte. »Es ist ziemlich dunkel, aber durch die Steine sickert ein bisschen Licht.« Sie fuhr sich mit zittrigen Händen übers Gesicht. »Die Knochen sind bewegt worden, sie liegen verstreut herum. Irgendjemand hat sie ausgegraben.« Ihre Stimme ging in ein Schluchzen über.
    Aurelia legte ihr einen Arm um die Schultern. »Ich hoffe zu Gott, dass es wirklich ein archäologischer Fund ist«, sagte sie ruhig. »Wenn es ein neuzeitliches Grab ist, kriegen wir Ärger.«
    »Wir müssen herausfinden, was genau es ist, bevor wir entscheiden, wie

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