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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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nichts gehört, seit wir zurück sind.« Er lachte. »Beste Freunde sind sie und ich nicht gerade geworden.«
    Jess unterdrückte selbst ein Lachen. »Ach, Rhodri, das tut mir leid. Hat sie dich genervt?«
    »Das hat sie in der Tat.« Aber er klang nicht wirklich verärgert. »Unsere Reise durch das ländliche Frankreich wurde zu einem Wettlauf gegen die Zeit, bevor ich ihr den Hals umdrehte.«

    »O je.« Jess verzog das Gesicht. »Rhodri, hör mal, ich mache mir ein bisschen Sorgen. Wie’s aussieht, haben sie das Mittagessen einfach stehen lassen und sind weggegangen. Halbleere Weingläser auf dem Tisch und so. Sehr gespenstisch.«
    »Glaubst du, dass Daniel plötzlich aufgetaucht ist?«, fragte er mit scharfer Stimme.
    Jess seufzte schwer. »O mein Gott, Rhodri, das hoffe ich wirklich nicht.« Sie schaute noch einmal auf den Hof hinaus. »Ein anderes Auto steht nicht hier. Ich war einfach davon überzeugt, dass er noch in Italien ist. Wunschdenken, vermute ich mal.«
    »Könnte er es irgendwo am Rand des Feldwegs versteckt haben?«
    Wieder seufzte sie. »Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich sollte ich mal nachschauen.«
    »Nein, Jess, geh nicht allein los. Warte, ich bin gleich bei dir.«
    Er ließ ihr keine Chance zu widersprechen, sondern hatte schon aufgelegt.
    Jess öffnete die Tür zum Atelier. Es war ordentlich aufgeräumt und erweckte nicht den Eindruck, als habe Steph seit ihrer Rückkehr schon wieder gearbeitet. Vor dem Fenster bei der Werkbank flatterte ein Schmetterling. Jess öffnete das Fenster, scheuchte ihn behutsam nach draußen und sah dann zu, wie er auf die Sonne zuflog.
    Spielen wir das Spiel immer noch?
    Die Kinderstimme klang, als käme sie aus nächster Nähe. Jess gefror das Blut in den Adern. Langsam drehte sie sich um. »Eigon? Glads?«
    Ich mag nicht mehr spielen. Mir ist kalt.
    Die Stimme klang gereizt, aber Jess hörte auch die Angst, die hinter dem Ärger lag.

    »Wo bist du denn, Herzchen?«, rief sie nach einem Moment.
    Eigon ist weg. Ich kann sie nicht mehr finden!
    Jetzt klang es, als würde Glads weinen.
    Jess stockte der Atem. »Glads? Bist du das?«
    Ich mag nicht mehr spielen! Das Spiel ist blöd!
    Jess schluckte ihre Angst hinunter. Das waren kleine Kinder, verlassene, einsame kleine Kinder. Von ihnen hatte sie nichts zu befürchten. Die Woge mütterlicher Liebe, die sie überflutete, überraschte sie selbst. »Hört mal, ihr Kleinen. Eigon ist weggegangen. Aber sie kommt zurück.«
    Wie dumm von ihr, das zu sagen! Das wusste sie doch gar nicht. Sie wusste überhaupt nichts. Sie wusste nicht einmal, in welchem Jahrtausend sie war. Mit einem Seufzen ging sie in die Küche zurück. »Steph? Mummy?« Plötzlich rief auch sie, überwältigt von Einsamkeit und Angst.
    Eine knappe halbe Stunde später war Rhodri da, kündigte sich bereits von weitem mit einer Staubwolke an. »Hast du mittlerweile eine Ahnung, wo sie stecken könnten?«
    Während Jess auf ihn wartete, hatte sie auf dem Mäuerchen in der Sonne gesessen. Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht in den Wald gegangen. Ich dachte, ich warte lieber auf dich.« Sie war sich sehr bewusst, welche Erleichterung und welches Glücksgefühl sie bei seinem Anblick empfand. Seine kräftige Statur, gekleidet in ein altes kariertes Hemd und eine eindeutig von Motten zerfressene Cordhose, war ungemein beruhigend, ebenso wie das Lächeln, mit dem er sie betrachtete. Er gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Schön, dass du heil wieder hierhergekommen bist.«
    »Das finde ich auch.« Sie glitt von der Mauer. »Du glaubst doch eigentlich nicht, dass Daniel aufgetaucht ist, oder?«

    Er schüttelte den Kopf. »Steph hätte ihn mit einem Blick vernichtet. Und deine Mutter ist nicht minder furchteinflößend. Wenn sie einen Nomadenstamm in Usbekistan mit einer Kopfbewegung besänftigen kann, dann wird sie sich von diesem Mistkerl auch nicht beeindrucken lassen.«
    Jess lächelte. »Ich bin so froh, dass du hier bist.«
    »Ich auch, meine Liebe.« Er betrachtete sie gerade eine Sekunde länger als notwendig, und sie spürte ein aufgeregtes Flattern in der Magengrube.
    Der Moment war sofort vorüber. »Komm.« Er marschierte bereits zum Tor. »Schauen wir doch erst kurz in den Wald, bevor wir uns überlegen, wie wir weiter vorgehen.«
    Auf dem Weg waren keine frischen Autospuren zu sehen. Vom Anstieg etwas außer Atem, erreichten sie das Gatter, das in den Wald führte, und gelangten unter die Bäume. Dort war es sehr still, die Vögel

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