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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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schenkte allen nach. »Du glaubst wirklich, dass sie sich zeigen wollte?«, fragte er leise.
    Jess nickte. »Ich habe sie gespürt, sie war hier bei uns im Raum.«
    Carmella sah sie über den Tisch hinweg an. »Wozu brauchst du mich? Du kannst es doch selbst. Du rufst sie, und sie kommt.«

    Jess presste die Lippen aufeinander. »So leicht kann das doch nicht sein.«
    »Warum nicht? Die Toten sind immer bei uns. Hat nicht einer eurer englischen Dichter das gesagt? Du als Englischlehrerin müsstest das ja wissen.«
    »Die Vergangenheit. Die Vergangenheit ist immer bei uns«, sagte Jess und lächelte. »L. P. Hartley.«
    »Ist das nicht dasselbe?«
    »Nein, nicht ganz.«
    »Also gut, wie wär’s dann mit Il n’y a pas de morts . Das war doch Maeterlinck, oder?«
    Jess lächelte wieder. »›Es gibt keine Toten, sondern nur Lebende, die ihre Form geändert haben.‹ Das passt schon eher. Hast du sie gesehen, Carmella?«
    Carmella schüttelte den Kopf. »Ich habe gespürt, wie sie in den Schatten schwebt.«
    »Will sie wirklich in Kontakt …« Jess brach ab, als Kim in der Tür erschien.
    »Ratet mal, wer gekommen ist! Jetzt ist unser College-Treffen perfekt!« Sie trat zur Seite.
    Hinter ihr stand Daniel.
    Blanke Angst überkam Jess, als er in die Runde lächelte. »Wie ich sehe, hat Kim vergessen, euch zu sagen, dass ich komme. Welche Überraschung, zu erfahren, dass ihr alle hier seid!« Er hatte eine elegante lederne Reisetasche in der Hand, die er auf den Boden fallen ließ, ehe er in den Raum trat. »Jess! Wie geht’s?« Bevor sie sich zur Seite drehen konnte, hatte er ihr einen Kuss auf die Wange gegeben. »Steph, William - ein College-Treffen in der Tat! Und das ist …?« Er verbeugte sich leicht vor Carmella, die ihn bestürzt anstarrte.
    »Meine Freundin Carmella Bianchi«, stellte Kim rasch vor. »Es tut mir leid, ganz so bald hatte ich nicht mit dir gerechnet,
Daniel.« Sie warf einen entschuldigenden Blick zu Jess. »Wir haben gerade eine Séance abgehalten. Aber die können wir bestimmt unterbrechen, damit du nach deiner Reise etwas in den Magen bekommst.«
    »Nicht nötig«, wehrte Daniel ab. »Ich habe im Flugzeug etwas zu essen bekommen. Bitte macht einfach weiter. Ich will wirklich nicht stören. Und eine Séance - das klingt spannend.« Er setzte sich auf die Armlehne der Couch zwischen Steph und Jess, die am Boden zu seinen Füßen saß. »Wirklich, macht weiter.«
    »Nein!« Carmella stand auf. »Nein, jetzt ist die Zeit nicht richtig. Wir versuchen es ein anderes Mal wieder. Die Energien haben sich verändert. Das Kind ist fort.«
    »Das Kind?« Daniel hob fragend die Augenbrauen. »Lasst mich raten. Das Kind aus Ty Bran?«
    »Sie haben sie gesehen?« Wieder starrte Carmella ihn fassungslos an.
    »Natürlich. Als ich bei Jess zu Besuch war.« Er sah zu Jess und lächelte. Seine braunen Augen funkelten vor Boshaftigkeit. Allerdings schienen sie sich etwas verändert zu haben, im Kerzenlicht waren sie bernsteinfarben. »Hat sie euch nicht erzählt, dass ich sie besucht habe?« Er legte ihr eine Hand auf den Arm.
    »Doch«, sagte Jess kalt. »Ich hab’s erwähnt.« Ihr entging nicht, dass Steph und William sie verwundert beobachteten. Sie stand auf und ging langsam auf die Tür zu. »Wenn Carmella jetzt sowieso geht, dann lege ich mich gleich ins Bett. Ich bin sehr müde.« Sie warf einen Blick zu Carmella. »Können wir es ein anderes Mal versuchen?«
    »Du brauchst mich nicht«, antwortete Carmella leise und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Dormi bene, Jess . Stammi bene, sì?« Sie schaute über Jess’ Schulter hinweg kurz zu
Daniel. »Die Karten, die ich für dich gelegt hatte«, flüsterte sie. »Neulich. Ich habe ihn gesehen. Pass auf, dass du nie allein bist, ja?«
    Jess blickte sie fragend an.
    Mit einem Achselzucken griff Carmella nach ihrer Handtasche, sammelte ihre Karten ein und wickelte sie in den Seidenschal. Dann steckte sie sie in die Tasche und zog den Reißverschluss zu. » Ciao! Bis bald!«
    Kim sah ihr enttäuscht nach. »Es tut mir leid, Jess. Wir waren so nah dran! Es war unheimlich aufregend!«
    »Habe ich gestört?« Daniel klang zerknirscht. »Ich hätte vom Flughafen anrufen sollen. Ich habe einen früheren Flug bekommen, als ich dachte, und wollte euch überraschen.« Sein Blick streifte Jess und kehrte zur Gastgeberin zurück. »Ich habe Mitbringsel dabei, Kim. Zur Wiedergutmachung, ja? Draußen in meiner Tasche. Whisky, Shortbread und ein paar nette

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