Die Tochter des Königs
Schutzgitter. Von dort konnte niemand hereinkommen. Aber einen Fluchtweg gab es auch nicht.
Kapitel 11
V oller Kummer drückte Eigon ihr Gesicht ins Kissen, um ihr Weinen zu ersticken. Von draußen drangen die Geräusche der großen Stadt zu ihr. Das Rattern der Wagenräder im ersten Morgengrauen, die Rufe der Straßenverkäufer und in der Ferne das tiefere, sonore Dröhnen der Menschenmengen, die sich versammelten. Heute war ein Tag der Festlichkeiten und des Triumphs. Zur Feier seiner Erfolge würde der Kaiser in einer Prozession durch die Straßen Roms ziehen. Ihm würden Symbole seiner ruhmreichen Siege folgen, Schätze aus Gold und Edelsteinen, üppig geschmückte Pferde, Jagdhunde mit reich verzierten Halsbändern, Waffen und vor allem seine Gefangenen aus Gallien und Britannien. Und der Bedeutendste unter diesen Gefangenen war König Caradoc, ihr Vater, mit seiner Frau und seiner Tochter. Mit lautem Klappern wurde die äußere Gefängnistür geöffnet, dann hörte Eigon Männer rufen. Sie schauderte. Jetzt kamen sie zu ihnen. Mit Ketten, um sie an den Hand- und Fußgelenken zu fesseln. Und nach der Prozession würden sie auf die sandige Arena gezerrt und getötet werden. Ihre Mutter und ihr Vater hatten versucht zu verhindern, dass Eigon von ihrem Schicksal erfuhr, aber sie hatte heimlich die geflüsterten Unterhaltungen belauscht. Sie hatte das grausame Lachen der Wachposten und ihre Gespräche gehört, hatte ihre lüsternen Blicke gesehen, als
sie debattierten, wie lange die schöne Gemahlin des britischen Anführers wohl brauchen würde, um zu sterben.
»Wir sind stolz, wir sind Fürsten«, hatte ihr Vater ihr am Abend zuvor noch einmal eingeschärft. »Wenn die Götter uns den Tod bestimmt haben, dann werden wir ihm mit Würde und Mut begegnen. Denk an dein nächstes Leben, mein Kind. Dieses ist nur eines von vielen. Die Schmerzen sind rasch vorbei, und dann stehen dir noch viele Leben bevor.« Er hatte sie an sich gezogen und auf den Scheitel geküsst. »Morgen werde ich stolz auf dich sein, Eigon. Du wirst mit erhobenem Haupt durch die Straßen gehen und den Menschen von Rom zeigen, dass wir nicht die unwissenden Tölpel sind, für die sie uns halten. Wir sind vornehm und gebildet und so gut wie sie. Besser noch. Sie haben in ihrem Eroberungsdrang die Verbindung zu den Göttern des Landes verloren. Ihre Stadt mag riesige Ausmaße haben, es mag Abertausende von Menschen hier geben, aber wenn ihr Geist ermattet und ihre Seelen sich verirren, sind sie nichts im Vergleich zu uns. Vergiss das nicht, meine Tochter.« Über ihren Kopf hinweg hatte er zu Cerys geblickt und mit trauriger Resignation gelächelt.
Der Lärm der Marschierenden hallte durch die Steinmauern, und Eigon verkroch sich noch tiefer unter der Decke. Sie hörte einen gebellten Befehl, hörte Männer abrupt stehen bleiben, das metallische Aufstampfen ihrer genagelten Stiefel, als sie Haltung annahmen, und aus der Nähe einen knappen Bericht über den Zustand der Straßen.
Ein Schatten fiel auf ihr Bett. »Eigon, es ist Zeit aufzustehen.« Es war ihre Mutter. Cerys war blass, aber gefasst, während sie wartete, bis Eigon aus dem Bett stieg. Neue Kleider waren ihnen gebracht worden. Cerys lächelte gequält. »Je prächtiger wir aussehen, desto größer ist der Triumph des Kaisers, uns besiegt zu haben«, sagte sie bitter.
»Schau, sie haben uns wunderschöne Tuniken und Umhänge gebracht, sogar Goldreifen. Und sie nennen deinen Vater König.«
»Ich weiß nicht, wie tapfer ich sein kann, Mama«, wisperte Eigon, während sie die Tunika über den Kopf streifte. »Ich versuche mein Bestes.« Sie gürtete sich mit einem geflochtenen Band und streckte dann die Arme aus, um in den Umhang zu schlüpfen. Er war eine kleine Version des Umhangs, den ihre Mutter trug.
»Das weiß ich, mein Herz.« Cerys zog sie an sich. »Du wirst uns alle Ehre machen. Dein Vater ist davon überzeugt.« Draußen ertönte ein Ruf, eine Tür fiel knallend zu. Eigon schmiegte sich noch enger an ihre Mutter. »Wird es wehtun? Getötet zu werden?«
Cerys schüttelte resolut den Kopf. »Nein. Die Götter werden dir Kraft und Trost schenken.«
Die Ketten brachten sie erst im letzten Augenblick. Es waren Handfesseln und Halsringe, wie auch die Sklaven sie trugen. Dann wurden sie nach draußen geführt an ihren Platz im Prozessionszug, der auf dem Exerziergelände der Kaserne Aufstellung nahm. Eigon stockte der Atem, sie klammerte sich an die Hand ihrer Mutter. Von ihrem
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