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Die Tochter des Leuchtturmmeisters

Die Tochter des Leuchtturmmeisters

Titel: Die Tochter des Leuchtturmmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Rosman
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keine Menschenseele getroffen. Sonntagabend und obendrein noch kalt. Die Leute schauten wohl gerade fern oder waren schon zu Bett gegangen, um am Montagmorgen frisch und munter zu sein. Es hatte leicht gefroren, und hier und da gab es verräterische Eisflecken. Karin blickte zum Rand des Anlegers, wo der Mann stand. Sollte er auf komische Ideen kommen, könnte sie ihn bestimmt ins Wasser stoßen. Aber das war wirklich erst Plan B.
    »Du bist die Polizistin?« Der Mann sprach mit starkem Akzent. Die Strickmütze hatte er tief in die Stirn gezogen. Darunter schauten buschige Augenbrauen hervor, sie waren so wild gewachsen, dass sich nicht sagen ließ, wo die eine Braue endete und die andere anfing. Aber die Augen blickten freundlich. Die Nase war rot vor Kälte. Der Kragen der braunen, unmodernen Steppjacke war hochgeschlagen, aber sie sah nicht sehr warm aus. Ein Pullover, der seine Form längst verloren hatte, hing unter der Jacke hervor. Die hellen Jeans waren stonewashed und so kurz, dass sie ein Paar weiße Tennissocken in absolut zu dünnen Turnschuhen sehen ließen. Karin nickte und bestätigte seine Frage.
    »Ich möchte mit dir reden.«
    »Worum geht’s?«, fragte Karin, die zögerte, ihn an Bord zu bitten.
    »Mirko. Mein Freund Mirko war es, der den Mann auf Pater Noster gefunden hat.«
    Mirko war tatsächlich der Name des Mannes, der angerufen und von der Leiche berichtet hatte. Roland, der Bauleiter, hatte den Verdacht geäußert, dass es Mirko gewesen sein könnte, und soweit Karin wusste, war diese Auskunft nicht an die Presse gelangt.
    »Ja, wir hätten gern mit ihm gesprochen«, sagte Karin.
    »Er will gern mit euch reden, aber er hat Angst.«
    »Wovor hat er Angst?«, fragte Karin.
    Der Mann, der sich als Pavel vorgestellt hatte, gab keine Antwort. Karin wusste nicht, ob Pavel sein Vor- oder Nachname war, aber das spielte wohl weiter keine Rolle. Er spähte die ganze Zeit unruhig umher. Sie setzten sich unter die Sprayhood ins Cockpit, die Karin nach dem Großreinemachen aufgespannt hatte. Sie zündete eine Petroleumlampe an und gab dem Mann ein steifgefrorenes Thermokissen.
    Karin war noch immer unschlüssig, als sie ihm anschließend ihr Mobiltelefon reichte. Sie fragte sich, was Carsten wohl zu einem Handygespräch nach Polen sagen würde. Der Mann wählte die Nummer selbst, und er hatte Mirko zugesichert, sie nach dem Ende des Telefonats wieder aus dem Speicher zu löschen. Karin dachte an ihre Telefonrechnung mit Einzelnachweis, wo jedes Gespräch mit Nummer, Datum, Uhrzeit und Gesprächsdauer aufgeführt wurde. Zunächst sprach Pavel selbst. Er redete sehr schnell, und Karin verstand, dass es um ein Problem ging, mehr aber auch nicht. Dann reichte er ihr das Telefon.
    »Mirko«, sagte er.
    Als der Mann wieder ging, waren Karin mehrere Dinge klargeworden. Eins davon war, dass Arvid, als ihn die Polen gefunden hatten, einen Ehering am Finger trug. Also hatte ihm den jemand abgenommen und einen neuen anfertigen lassen, der dann angeblich neben der Leiche entdeckt wurde. Die zweite Sache war, dass irgendwer zur Nachtzeit um die Pater-Noster-Inseln tauchte.
     
    Obwohl es schon spät war, dachte Anita noch nicht ans Schlafengehen. Sie wollte die neue Spur weiterverfolgen. Ein guter Anfang war, einmal nachzusehen, ob es etwas gab, das »Brecia« oder »Breccia« hieß. Breccia mit zwei c erwies sichlaut Lexikon als italienischer Name eines Sedimentgesteins. Das nächste Buch, das sie aus dem Regal genommen hatte, war eine Gedichtsammlung. Anita blätterte darin, bevor sie es wieder beiseitelegte.
    Sie fand dort nichts, was dem vor ihr liegenden Gedicht auch nur ähnelte. Die anderen Bücher beschrieben die Westküste. In »Längs der Küste Bohusläns« schlug sie unter Hamneskär und Pater Noster nach, und dann schaute sie in ein weiteres Buch, bevor sie auch diese beiden weglegte. Eigentlich schon drauf und dran, die Fernsehnachrichten einzuschalten, zog sie noch den »Leuchtturmguide« zu Rate und las, was dort über Pater Noster und das Nebelsignal stand, das man 1869 auf der Insel installiert hatte. »Pater Nosters erstes Nebelsignal wurde 1869 errichtet und bestand aus einem Glockenturm, der mit Hilfe einer kleineren Windmühle betrieben wurde. Auf der Glocke befand sich folgende Inschrift …« Anita stutzte, als sie den Text sah.
    Nicht wie das Läuten der heimischen Glocke
    Biete ich der Mühe Söhne Rast und Ruh.
    Nicht wie die des Tempels Frieden.
    Segler, hörst du, im Nebel irrend
    Auf

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