Die Tochter des Leuchtturmmeisters
Spiegel. Es war in Ordnung, konstatierte sie, lange aber würde es nicht mehr gehen. Frau Hovdan stellte sich hinter sie.
»Pass auf dich auf«, sagte sie und strich Elin über die Wange.
Elin lächelte ihr zu. Sie wusste nicht, was sie ohne die Hilfe der alten Dame getan hätte.
Die Kälte zwickte in den Beinen, als sie durch den Schneematsch watete. Der kurze Rock bot weder Wärme noch Schutz vor dem eisigen Wind. Nässe drang durch die Lederstiefel, aber sie war mit ihren Gedanken so weit weg, dass sie es kaum spürte. Ihre Beine bewegten sich wie von selbst, bis sie vor der gut bekannten Tür haltmachten.
Sie hatte das Haus, das Arvid für sie beide erstanden hatte, verkauft und einen Großteil des Geldes in das Restaurant gesteckt. Nach nur zwei Monaten hatte sich der Ruf der neuen Gaststätte verbreitet, und ihr Umsatz war gut, genau wie ihr Personal. Immer saßen Gäste wartend an der Bar und hofften darauf, dass jemand, der reserviert hatte, nicht auftauchte, was jedoch selten der Fall war.
Elin stopfte die Stiefel mit Zeitungspapier aus und stellte sie in die Küche, wo sie den Köchen ein Hallo zurief. Die Stiefel würden hoffentlich trocknen, bis sie wieder nach Hause ging.
Für einen Dienstagabend waren viele Leute da. Elin nahm die Bestellungen auf und ging die Getränke für die Gäste holen, die auf ihr Essen warteten. Niemand konnte ahnen, dass dieses Lokal ihr gehörte, und genauso wollte sie es haben. Frau Hovdan war die äußere Fassade. Eine korrekte Dame, die alle Einstellungsgespräche führte und dem Personal den Lohn auszahlte.
Elin ihrerseits hörte, was geredet wurde, und wusste, wer sich das Trinkgeld in die eigene Tasche steckte, statt es in die Kasse zu legen, die anschließend brüderlich zwischen Küchen- und Servierpersonal geteilt wurde. Wer sich nicht ordentlich verhielt, verschwand schnell von der Bildfläche, ohne dass auch nur einer richtig verstand, wie die Besitzer, die schließlich nie da waren, so gut Bescheid wissen konnten. Am Ende blieb eine eng verschworene Truppe zurück, drei Leute in der Küche, ein Oberkellner und sieben Servierkräfte, einschließlich ihrer selbst. Die Kollegen mochten Elin, aber als ihr Bauch an Umfang zunahm, begann auch das Gerede.
Es war fast halb elf, als Karin am Sonntagabend Lyckes erleuchtetes Haus verließ. Der Nebel hatte sich verzogen, und Karin schaute in den sternenübersäten Himmel hinauf und versuchte sich zu erinnern, wie die verschiedenen Gebilde dort oben hießen. Sie war, was die Sternbilder anbetraf, richtig gut gewesen, ein Vorteil, wenn es ums Navigieren ging. Göran und sie hatten Pläne über eine lange Segeltour geschmiedet, ein, zwei Jahre wollten sie unterwegs sein. Von Westindien war die Rede und dass sie der Küste nordwärts bis nach Kanada folgen wollten. Anschließend sollte es weitergehen nach Island, den Färöern, den Shetland-Inseln und von dort zurück nach Hause.
Jetzt würde eine solche Tour nicht mehr stattfinden, jedenfalls nicht mit Göran. Der Große Wagen schien auf sie herab. Der Gürtel des Orions, der kleine Wagen … sie konnte stundenlang im Vorschiff liegen und den Sternenhimmel durch die Deckluke betrachten.
Sie hatte ihr Boot fast erreicht, als sie die Gestalt bemerkte, die um die
Andante
strich. Als sie näher kam, sah sie, dass es ein Mann war. Sein Rücken war gekrümmt, als hätte er zu schwer gehoben und könne sich nicht mehr aufrichten. Er humpelte vor dem Boot auf und ab und schlang sich immer wieder die Arme um den Leib, um die Wärme zu halten. Hin und wieder blickte er sich nervös um.
Karin bereute es, dass sie Johans Begleitung abgelehnt hatte. Einen Moment verlangsamte sie den Schritt und erwog, zurückzugehen und jemanden zu bitten, mit ihr mitzukommen, dann aber gab sie sich einen Ruck und ging weiter. Für einen ungebetenen Gast war es nicht leicht, ins Boot zu gelangen. Die Bullaugen hatten nur einen Durchmesser von fünfzehn Zentimetern, und die Luke am Niedergang war mit einem robusten Vorhängeschloss und einer raffinierten Sperranordnung mittels einer Stange aus rostfreiem Stahl verschlossen. Die Deckluken hingegen könnte man möglicherweise einschlagen, um dort hineinzuklettern, aber nichtohne Lärm zu machen. Karin beschleunigte ihren Schritt und hustete laut, um die Person zu warnen. Der Mann fuhr zusammen und drehte sich um.
»Hallo«, sagte Karin und ließ die Schlüssel noch in der Tasche. Sie waren allein auf dem Steg, und auf dem Weg hierher hatte sie
Weitere Kostenlose Bücher