Die Tochter des Leuchtturmmeisters
stets alles, damit sie sich nicht lange hinzogen.
Folke ging mit wütenden Schritten über das offene Gelände vor dem Haus, um die Straßenbahn zu seinem Reihenhaus in Mölndal zu nehmen. Mit einer solchen Frechheit war ihm noch nie jemand gekommen. Als er den Kiosk am Korsvägen erreichte, hielt er plötzlich inne und betrachtete die Aushänger.
SEIT 45 JAHREN VERSCHWUNDENER MANN
TOT AUFGEFUNDEN
Exklusivinterview mit Ehefrau
Folke ging hinein und kaufte eine Zeitung. Dann bat er um eine weitere. Machte kehrt und eilte zurück ins Präsidium.
Sara hatte ganz hinten im Bus Platz genommen, rutschte auf dem Sitz nach unten, um möglichst unsichtbar zu sein. Hoffentlich kam keiner auf die Idee, sich neben sie zu setzen undzu plaudern. Sie wagte es nicht, Auto zu fahren, traute es sich nicht zu. Als sie das letzte Mal an eine Ampel gekommen war, war sie unsicher geworden, ob das rote Licht bedeutete, dass man anhalten oder fahren sollte. Das Erlebnis hatte sie so erschreckt, dass sie seitdem nicht mehr ins Auto gestiegen war. Busfahren hieß jedoch, von fremden Menschen umgeben zu sein, und ihr Puls hämmerte. Sie schloss die Augen und atmete tief durch, stopfte die Stöpsel in die Ohren und versuchte sich auf die ruhige Musik zu konzentrieren. Stattdessen musste sie an Tomas denken und ihr Gespräch vom Abend zuvor über eine Familienfeier, zu der sie beide eingeladen waren.
»Wir können doch die Einladung nicht ablehnen, wenn wir Zeit zum Hingehen haben.« Tomas wies auf die Karte mit dem Datum, auf der sich zwei goldene Sektgläser zuprosteten.
»Ich halte so eine Familienfeier nicht aus«, hatte Sara erwidert. »Ich bin krankgeschrieben, weil ich zum Arbeiten nicht in Form bin. Eine Familienfeier steht nicht auf dem Plan.«
»Wir müssen hingehen. Diane und Alexander können nicht kommen, deshalb ist es doppelt wichtig, da zu sein. Mama möchte so gern, dass wir sie begleiten.«
Kann ich mir denken, sagte sich Sara. Bestimmt hat sie ein teures Geschenk gekauft, an dem wir uns beteiligen sollen. Man kann nur hoffen, sie vergisst diesmal nicht wieder, unsere Namen auf die beiliegende Karte zu schreiben.
»Weshalb können denn Diane und Alexander nicht?«, fragte Sara und hörte selbst, wie angestrengt ihre Stimme klang. Ich bin schon gereizt, bevor ich auch nur die Antwort kenne, dachte sie.
»Ich glaube, er hat eine superwichtige Besichtigung.«
»Und das weiß er jetzt schon? Bis zu der Familienfeier sind es doch noch sechs Wochen. Meinst du wirklich, man bucht eine Besichtigung schon sechs Wochen vorher? Was für eine phantastische Vorausplanung!«
»Warum redest du so? Ich finde es nett, wenn wir als Familie zusammen hingehen.«
Sara seufzte. Vermutlich würde das Ganze so enden, dass sie an der verdammten Familienfeier teilnehmen musste. Als würde Tomas nicht hören, dass sie nein sagte, weil ihre Kraft dafür nicht reichte. Und Diane kam wie üblich um die Sache herum.
Irgendwo klingelte ein Telefon. Ein nervtötendes Geräusch. Es dauerte eine Zeit, bis Sara kapierte, dass es das Ihre war. Im Augenblick klingelte es nicht sehr häufig. Alle wussten, sie war krankgeschrieben und zu Hause.
»Hallo, hier ist Tomas. Alles in Ordnung?«
»Natürlich.«
»Wie komisch du klingst. Wo bist du?«
»Unterwegs nach Göteborg. Muss doch zu diesem Termin, wie du weißt.«
»Was für ein Termin?«, fragte Tomas.
Sara sah sich um und senkte die Stimme.
»Beim Psychologen.«
»Verdammt, das hatte ich vergessen. Weißt du, irgendwie ist hier einiges zusammengekommen, also wollte ich dich fragen, ob du die Kinder abholen könntest.«
»Aber das wollte Siri doch machen.«
Die Großmutter hatte versprochen, Linus und Linnéa ausnahmsweise einmal von der Kita abzuholen. Zwei Tage hatte sie zum Überlegen gebraucht, dann hatte sie Tomas mitgeteilt, es dazwischenschieben zu können. Hoffentlich bringt sie die richtigen Kinder mit, hatte Sara nur gedacht.
»Hallo, Sara? Bist du noch dran?«
»Ja.«
»Wie gesagt, bei Diane war einiges zusammengekommen, also musste Mama nach Göteborg fahren, um ihr zu helfen.«
Natürlich war bei Diane einiges zusammengekommen, dachte Sara. Bestimmt wollte sie Eier kochen und gleichzeitig Kaugummi kauen. Schlimmste Hektik.
»Was ist denn passiert?«, fragte Sara und widerstand ihrem Impuls, aus dem Bus auszusteigen, als er auf der einsamen Haltestelle auf Nordön hielt. »Ist sie in irgendeinem Laden an der Rolltreppe hängengeblieben?« Sara lächelte bei
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