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Die Tochter des Leuchtturmmeisters

Die Tochter des Leuchtturmmeisters

Titel: Die Tochter des Leuchtturmmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Rosman
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es heute keiner zugibt, so haben doch viele die Nazis unterstützt«, sagte Marta.
    Ihre Antwort war keine große Hilfe.
    »Ja, ich weiß, und das ist wirklich bedauerlich, aber Arvid starb irgendwann zwischen 1963 und 1965, fast zwanzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.«
    »Der Krieg war formell zwar zu Ende, aber es gab noch immer welche, die weitermachten. Arvids Mutter Alice hat einmal etwas über die Leute aus Lysekil gesagt. Mal sehen, ob ich es noch zusammenbekomme.« Mit feierlicher, kräftiger Stimme begann sie, aus dem Gedächtnis zu zitieren:
    In dieser Stadt ist reden keinem zu eigen
    Wer hier wohnt, hüllt sich gern in Schweigen.
    Wo wohnen Schweden würdiger still
    Als jene, die leben in Lysekil?
    Karin fühlte sich unangenehm berührt und wusste nicht, was sie dazu sagen sollte.
    »Entschuldigung, aber ich glaube, ich verstehe nicht«, entgegnete sie schließlich.
    »Nein, wer tut das schon, wer tut das schon …«, sagte Marta und glättete den Teppich mit dem Fuß.
    »Weißt du etwas über eine Tätowierung?«, fragte Karin. Marta, die aussah, als sei sie mit ihren Gedanken weit weg, schüttelte den Kopf.
    »Sie wirkt wie ein Zahlencode, nur wissen wir nicht, was er bedeutet«, fügte sie hinzu, um das Interesse an der Tätowierung zu verstärken. Sie wusste nicht, ob sie sich das nur einbildete, aber ihr schien, als bemerke sie eine Bewegung in Martas Gesicht. Die alte Frau sagte noch immer kein Wort.Karin öffnete ihr Notizbuch und schrieb die Zahlen auf die Rückseite ihrer Visitenkarte. Die reichte sie Marta, die sie zerstreut entgegennahm und sie in die Rocktasche steckte. Es klopfte an der Tür. Draußen stand der Taxifahrer in seiner dunkelblauen Uniform, und neben ihm im Rollstuhl saß eine kleine Frau. Ihr Gesicht unter dem Hut war runzelig wie eine Rosine, doch als sie Marta erblickte, breitete sich ein Lächeln darauf aus. Karin reichte Marta die Hand und dankte ihr für den Kaffee und die Plauderstunde, bevor sie ging.
     
    Als das Auto losgefahren war, hob Marta den Hörer ab und wählte die altbekannte Nummer. Sie zog Karins Visitenkarte aus der Tasche und betrachtete deren Rückseite.
    »Ich weiß nicht, wie viel sie wissen«, sagte sie. Sie hörte der Person am anderen Ende zu, bevor sie weitersprach.
    »Wann hast du ihn eingeworfen?«, fragte sie und war mit der Antwort zufrieden.
    »Ein Problem gibt es nur, wenn Siri Arvids Kleider zurückerhält. Allerdings haben sie die Tätowierung gefunden, aber nicht die ganze«, sagte Marta.
    Die Person am anderen Ende erwiderte etwas Beruhigendes.
    »Ja, damit hast du natürlich recht.« Marta nickte und schaute aus dem Fenster.
    »Vergiftet laut Gerichtsmedizin …«, gab sie zur Antwort, und ihr Blick wanderte aus dem Fenster zum Rosenbusch hinüber.
    »… ja, ich weiß, dass er das ist, aber ich finde, es ist höchste Zeit. Willkommen.«

Göteborg, 1963
     
    Die Geschäfte liefen gut, sehr gut sogar, aber nicht damit beschäftigten sich die meisten seiner Gedanken, sondern mit Elin. Arvid war froh, dass sein Bruder Rune einen größeren Teil der Verantwortung übernommen hatte, und das Einzige, was ihn beunruhigte, war die Tatsache, dass hin und wieder Geld zu verschwinden schien. Verschwinden war vielleicht das falsche Wort, aber zuweilen lieferten sie Geld auf allzu unsicherer Grundlage aus. Dabei handelte es sich um große Summen, aber es war auch viel da, von dem sie nehmen konnten. Und natürlich war es für die Leute schwer, ihre Legitimation nachzuweisen, wenn sämtliche Freunde und Verwandten tot waren. So viele Menschenschicksale hatte Arvid kennengelernt. Zuweilen schien es, als hätte die Überlebenden der Konzentrationslager ein schlimmeres Schicksal ereilt als die Toten. Ständig trugen sie die Erinnerung mit sich herum, wie eine Strafe, die erst verbüßt war, wenn ihr Herz zu schlagen aufhörte. Die Schuld war immer da, auch die Schreie waren es, selbst wenn die Stimmen seit langem verstummt waren.
    Er dachte an seinen Vater und fragte sich, wie er das all die Jahre ertragen hatte. Und an seine Mutter, die für Menschen, die es wirklich benötigten, mehrere Zimmer in dem großen Haus bereitgestellt hatte. Es war an einem Samstag, als er das Problem mit Rune aufgriff. Dieser hatte in Vaters altem Büro gesessen. Arvid hatte die Tür hinter sich geschlossen, obwohl das gesamte Personal bereits heimgegangen war. Der Bruder hatte den Stuhl herumwirbeln lassen und einen der abgeschlossenen dunklen Holzschränke

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