Die Tochter des Leuchtturmmeisters
sauber und frisch gebügelt zu der eleganten, frisch renovierten Villa auf Marstrandsön zu kommen.«
»Ach, wie reizend«, sagte Annelie und machte eine vornehme Bewegung mit der Hand und gab ein paar Küsschen in die Luft ab.
»Genau, dann sitze ich da also und habe es tatsächlich richtig nett, als Ida ankommt und mich am Ärmel zupft: ›Mama, es ist was passiert.‹ Ich folge ihr in die Küche, übrigens eine Spezialanfertigung von einer Oruster Tischlerfirma. Kein einziges Standardmaß, so weit das Auge reicht. Dort steht unser Sohn mit schuldbewusstem Gesicht. Hinter ihm der Feuerlöscher, und einen Meter weiter sehe ich die Diele, die aussieht, als sei sie voller Schnee …«
Das Lachen nahm kein Ende, als Hanna mit der Schilderung fortfuhr.
»All die Schuhe und Mäntel der Gäste … ja, ihr kapiert. Außerdem war das im Januar und somit auch der eine oder andere Pelz darunter … Ich musste also dem Gastgeber erzählen, was passiert war, und er geriet dermaßen aus der Fassung, dass er seine neue Frau Agneta nannte, was ein echter Patzer war, weil das der Name seiner ersten Frau ist …«
Es war lange her, dass Karin einen so netten Abend verbracht hatte. Zurück an Bord beim Zähneputzen, fing sie sofort wieder an zu lachen, als sie an all die gehörten Geschichten dachte. Lycke machte den Eindruck einer Vorzeigemutter, strahlte Sicherheit und Geborgenheit aus. Karin verspürte einen Stich in der Brust. Sie war als einzige Single gewesen, alle anderen waren verheiratet und hatten Kinder. Einen kurzen Moment fühlte sie sich deprimiert, kinderlos, wie sie nun mal war, bis ihr der Gedanke kam, dass die Tretmühle, in der Sara steckte, auch nichts war, um das man sie beneiden musste. Eines schönen Tages, dachte Karin. Und lieber allein sein als … wie war das gleich in dem Lied von Susanne Alfvengren? Sie hielt mitten im Zähneputzen inne, und dann fiel es ihr ein. »Einsame Einsamkeit ist besser als Einsamkeit zu zweit.«
Wie vor jedem Tauchgang ließ Markus sein Ritual ablaufen. Er setzte sich an einen abgeschiedenen Ort, in diesem Fall die Bootstoilette, und hörte Musik. Der MP3-Player war klein und rot. Die Farbe der Liebe. Das ließ ihn an Sara denken. In einer anderen Zeit an einem anderen Ort hätten sie beide ein Paar werden können. Die gestohlenen Augenblicke, die sie miteinander erlebt hatten, waren wertvoll, und obwohl sie sich noch nicht sehr lange kannten, wusste sie mehr über ihn als irgendwer sonst. Sie wusste alles. Denn als sie so dagesessen hatten und die Teile im Puzzle ihrer beider Leben betrachtet hatten, war ihnen klargeworden, dass mehrere davon zusammenpassten. Sie drehten und wendeten die Teile hin und her, lasen die alten Dokumente, die Sara im Keller von Siri und Waldemar gefunden hatte, und glichen sie mit dem ab, was Markus bereits wusste, bis sie schließlich die
Wahrheit
in der Hand hielten.
Mit Saras Hilfe hatte er auch die Vergangenheit seiner Mutter und wie es zu dem Segelunfall gekommen war, ergründen können. Sara erinnerte sich plötzlich an den Ehering, der an dem bewussten Tag vor ein paar Wochen aus Siris Handtasche gefallen war. Sie begriffen, dass sie den finden mussten, und Sara glaubte auch zu wissen, wie vorzugehen war.
Das nervöse Gefühl im Bauch wollte nicht weichen. Er hatte keine Zeit gehabt, die Mail abzuschicken, und er wusste einfach zu viel über die Herrschaften an Bord, als dass es ihnen passen konnte, wenn er wieder heim nach Deutschland fuhr. Sein Vorteil war, dass sie nicht über alles Bescheid wussten, was ihm bekannt war. Sobald sie zurück im Hafen waren, würde er seine Sachen packen und verschwinden, ohne ein Wort darüber zu verlieren, außer zu Sara. Sie würde für immer einen Platz in seinem Herzen einnehmen. Er fragte sich, ob Tomas überhaupt wusste, was für ein Glück er mit ihr hatte. Sollte er jemals heiraten, dann eine Frau ihresKalibers. Er wünschte, sie hätten sich kennengelernt, bevor sie mit Tomas zusammenkam.
Oben im Cockpit steckte sich Blixten eine Zigarette an und entdeckte die Kamera, die in der wasserdichten roten Tasche auf dem Boden lag. Wo er ging und stand, hatte Markus ansonsten die Kamera bei sich, heute Abend aber war er still und zerstreut und hatte sie in der Tasche zurückgelassen.
»Was meint ihr, was er fotografiert hat?«, fragte Blixten.
»Hübsche Miezen? Uns?« Das eine oder andere Lachen ertönte von den Männern an Bord. Der Marstrand-Fjord war in dieser Nacht sehr
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