Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin
Gang entlang.
Der Mund des Thymanbadh war also der Schlüssel. Wenn das seine Schwachstelle war, war sie gut gewählt. Dieser Koloss war
viel größer als sie. Maru lief weiter und dachte nach. Vielleicht konnte sie dafür sorgen, dass er kleiner wurde.
Ein wölfisches Grinsen, auf das Tasil stolz gewesen wäre, breitete sich in ihrem Gesicht aus. Sie hatte einen Plan...
Als sie keuchend die Kammer des Raik erreichte, war ihr klar, dass ihr Plan Lücken hatte. Sie konnte immer noch nicht mit einem Schwert umgehen. Ein Sichelschwert war eine hervorragende Waffe für die Schlacht, die gebogene Klinge verlieh ihr Festigkeit, und sie war bestens geeignet, Hiebe auszuteilen. Um den Mund des Thymanbadh zu treffen, musste sie aber zustechen. Dafür waren Sichelschwerter nicht gemacht. Sollte sie es mit dem Dolch versuchen?
Der Koloss stampfte in die Kammer. Er seufzte, schlug zu. Sie wich aus, stolperte, stürzte. Er holte aus, aber sie war schneller. Das war nicht ihr Plan, aber es war eine Gelegenheit. Tasil hätte sie sicher genutzt. Maru rollte zur Seite und hieb mit dem Sichelschwert tief in sein rechtes Bein. Sollte er nur versuchen, sie auf einem Bein zu verfolgen!
Die Klinge blieb stecken, der Thymanbadh seufzte – und Maru entkam dem nächsten Schlag nur knapp. Es war unfassbar! Da steckte dem Koloss ein eisernes Schwert im Bein, und er beachtete es nicht mal. Maru stolperte aus der Kammer. Die Beine wurden ihr schwer, und das Seitenstechen war schlimmer geworden.
Sie dachte plötzlich an die Heldengeschichten, die an den Herdfeuern von Akyr erzählt worden waren. Da war oft von stundenlangen Kämpfen und tagelangen Jagden die Rede. Aber Seitenstechen war nie erwähnt worden. Sie biss die Zähne zusammen. Es würde schon gut gehen – irgendwie. Der Koloss folgte ihr. Sie hatte ihm das Schwert ins Bein geschlagen, aber er war keinen Deut langsamer geworden. Maru lief an Frywas Kammer vorbei und bog
an der nächsten Abzweigung links ab. Der Gang war hier etwas niedriger. Die Wände waren schmucklos. Sie erreichte die unfertige Kammer, in der das Wasser in Pfützen den Boden bedeckte. Der Boden war glatt. Würde ihr das vielleicht auch zugute kommen? Die Hauptsache aber war, dass die Kammer niedrig war. Sie entzündete die zweite Fackel. Der Thymanbadh sollte nur kommen...
Und er kam, seufzend und mit schweren Schritten. Als er die Schwelle erreichte, zögerte er zum ersten Mal. Doch nur kurz, dann bückte er sich und trat in die Kammer. Maru sprang vor. Mit einem Schrei stieß sie dem tönernen Koloss die Fackel in sein augenloses Gesicht. Er schwankte leicht, seufzte – mehr nicht.
Die Fackel fiel in eine Pfütze und verlosch. Der Koloss holte aus und schlug nach Maru. Sie sprang zurück. Der Schlag war schlecht gezielt. Hatte die Fackel doch etwas ausgerichtet? Langsam ging sie rückwärts.
Zu langsam! Der nächste Schlag des Thymanbadh schlitzte ihr Kleid über den Rippen auf. Maru wich zurück, aber dann fühlte sie hinter sich die Wand. Es ging nicht weiter. Ihre Flucht war zu Ende. Der Thymanbadh hatte sie in die Enge getrieben.
Ohne nachzudenken, riss Maru den Dolch hervor und griff an. Sie duckte sich, unterlief den Schlag des Gegners, wie sie es bei Tasil gesehen hatte, sprang hoch und stieß ihm mit aller Kraft den Dolch in den lippenlosen Mund. Etwas zerbrach. Der Thymanbadh seufzte und blieb stehen. Maru sprang zur Seite, rutschte auf dem glatten Untergrund aus, fiel auf die Schulter, kam wieder hoch und machte sich bereit zu fliehen. Aber es war nicht nötig. Der tönerne Koloss rührte sich nicht mehr.
»Das Wort, Maru Nehis.«
Maru zuckte zusammen. Aber es war nur Utukku, der aus dem
Nichts aufgetaucht war. Als sie sah, dass er es war, lachte sie erleichtert auf. Erschöpft sank sie auf die Knie. Es war ihr gleich, dass es in einer Wasserlache war.
»Was für ein Wort, Utukku?«, keuchte sie.
»Der Maghai hat es geschrieben.«
»Der Maghai? Er hat das Ding da gemacht?«
Utukku schüttelte den Kopf. »Nur das Wort. Deine Klinge hat es zerstört.«
Maru stemmte sich auf die Beine. Ihr Blick fiel auf das Eisenschwert. Es musste viel wert sein, aber es steckte immer noch im Bein des leblosen Kolosses und war völlig verbogen.
»Das wird Tasil nicht gefallen«, sagte Maru immer noch außer Atem.
Sie ging um den Thymanbadh herum. Dann griff sie nach ihrem Dolch und zog ihn aus dem Spalt, der ein Mund sein sollte. Eine Staubwolke rieselte heraus, mehr nicht. Maru zuckte mit den
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