Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin
Schultern. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Sie hatte ihn besiegt. Ganz alleine. Nun gut, fast ganz alleine.
»Ich danke dir, Utukku«, sagte sie.
Er antwortete mit jenem schnarrenden Geräusch, das Maru für ein Lachen hielt. Plötzlich stand er auf der Schwelle der Kammer. »Du hast viel zu tun, Maru Nehis.«
Dann war er fort. Sie seufzte und machte sich auf den Weg. Immerhin, das Schlimmste war wohl überstanden.
Sie ging in Frywas Kammer. Die Bernsteinkette schimmerte rötlich. Sie war wundervoll. Tasil hatte nichts davon gesagt, dass sie auch die Frauen des Raik berauben sollte. Vielleicht später, wenn Zeit blieb – und vielleicht würde ihr Tasil diese Kette sogar schenken, wenn sie darum bat. Sie hatte einiges durchgemacht. Das musste er anerkennen. Diese Kette wäre eine wundervolle Anerkennung. Nun, vielleicht nachher.
In der Kammer des Raik waren einige Gefäße zerbrochen. Aus einem geborstenen Tonkrug hatte sich Weizen in die Kammer ergossen. Tasil hatte befohlen, zuerst die handlicheren Dinge in die Kammer zu schaffen, wo er durchbrechen wollte. Also nahm Maru dem toten Raik den silbernen Stab aus der Hand. Einige Ringe lagen neben ihm, die hob sie ebenfalls auf. Als Nächstes entdeckte sie eine kleine hölzerne Schatulle, die mit Silbermünzen gefüllt war. Der silberne Helm, Arm- und Beinschienen – sie schaffte alles nach und nach in das unfertige Gelass. Hoch oben an der Decke wartete das zugemauerte Loch. Sie lauschte, aber noch war von Tasil nichts zu hören.
Maru stellte die Kerze hier ab und steckte die Fackel in der Kammer des Raik in eine Halterung. Das erleichterte ihr die Arbeit ungemein. Bei ihrem dritten Gang hörte sie von oben ein leises Klopfen. War das der Lärm, den Tasil so gefürchtet hatte? Der angeblich die Wachen im Tal herbeirufen würde? Maru hätte gelacht, wenn sie nicht auf dieser Seite der Mauer gewesen wäre. Sie arbeitete weiter, trug nach und nach die Schmuckdolche, dann die schweren Barren aus Eisen und Silber in die andere Kammer. Das Klopfen war jetzt schon lauter. Sie schuftete weiter. Plötzlich saß der Daimon auf der Brust des toten Raik.
»Utukku!«, entfuhr es Maru erschrocken.
»Ich konnte Träume hören.«
»Geh da runter und hilf mir lieber, diese Barren hier wegzuschaffen.«
Der Daimon schnarrte. Es war ein Lachen, da war Maru sich jetzt sicher. Ihre Aufforderung war auch nicht ernst gemeint gewesen. Sie wusste nicht einmal genau, ob der Daimon überhaupt etwas anfassen oder wegtragen konnte.
»Du musst mir etwas geben, Maru Nehis«, sagte er mit seiner silbern plätschernden Stimme, als sie von ihrem nächsten Gang zurückkehrte.
Sie hielt ihm einen Barren Eisen hin und grinste. Utukku sah sie mit seinen kupfernen Augen durchdringend an.
»Das war ein Scherz«, sagte sie lahm.
Der Daimon antwortete nicht. Sie seufzte, nahm noch einige Barren mehr und schleppte sie in das Gelass. Der Daimon war schon vor ihr da.
»Kannst du dir das nicht abgewöhnen?«, schimpfte Maru erschrocken.
»Blut.« Das Licht der Kerze tanzte in seinen kupferfarbenen Augen.
»Was?«, fragte Maru.
»Gib mir Blut«.
Sie starrte ihn an. Meinte er das ernst? »Was für Blut?«
Der Daimon legte den Kopf schräg und starrte zurück. »Deines, Maru Nehis.«
Ein lautes Krachen riss Maru aus ihrer geschockten Starre. Zwei Ziegelsteine stürzten von der Decke. Von oben fiel rötliches Licht hinein. Endlich!
»Maru, bist du da, du faule Kröte?«
»Ich bin hier, Onkel«, rief sie erleichtert, während Utukku aus dem Raum glitt. Er meidet Tasil, erkannte Maru. Jedes Mal, wenn er auftauchte, verschwand der Daimon. Könnte Tasil ihn etwa ebenfalls sehen?
»Hab noch ein wenig Geduld, ich muss das Loch vergrößern. Aber du kannst schon anfangen, die Taschen zu füllen.«
Etwas verdunkelte das Loch, dann fielen die Satteltaschen hindurch, die Tasil von Kwem gekauft hatte. Sie waren an ein Seil gebunden. Von oben rieselten Staub und kleine Steinbrocken herab.
»Du hast es gut, Kröte. Du hast keine Ahnung, was für eine Quälerei das hier oben ist«, rief Tasil.
Maru setzte zu einer empörten Antwort an, aber dann ließ sie es. Sie würde ihm später vom Thymanbadh erzählen, jetzt hatte
sie andere Sorgen. Sie blickte sich um, doch der Daimon blieb verschwunden.
»Mach die Taschen nicht zu voll, sie müssen durch das Loch passen!«
Sie zog die Taschen zur Seite, um nicht von Schutt getroffen zu werden, und begann mit den Ringen, der Schatulle, dem Stab und den
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