Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin
was es denn der richtige Augenblick sein sollte, aber sie würde vermutlich wieder keine klare Antwort bekommen, also ließ sie es. Sie konnte ihre Augen jetzt nicht mehr von der Frau des Immit lassen. Aber es gelang ihr nicht noch einmal, einen Blick von ihr einzufangen.
Kerva der Schreiber stotterte sich immer noch durch seine Berichte. Der Einzige, der ihm mit ungebrochenem Interesse lauschte, war Immit Schaduk. Maru fragte sich, wie sich jemand so sehr für Zahlen begeistern konnte. Manchmal stellte er eine Zwischenfrage, wollte wissen, wer denn das Salz aus Albho an bestimmten Tagen entgegengenommen und wer es auf die Schiffe verladen hatte. Diese Fragen lösten bei Kerva jedes Mal einen Schweißausbruch aus. Er wurde dann verlegen und suchte in einem der vielen Weidenkörbe nach einer anderen Tafel, die die Antwort auf die Frage des Immit beinhalten musste. Der Schreiber tat Maru leid, und sie fragte sich, warum der Immit all das wissen wollte. Konnte
es sein, dass er einfach Vergnügen daran fand, den Schreiber zu quälen?
Die Befragung wurde unterbrochen, als ein Läufer die Hohe Kammer betrat. Er durcheilte sie, lief zum Thron und flüsterte einem der Männer des Immit etwas ins Ohr. Der wiederum näherte sich Immit Schaduk und gab die Nachricht leise weiter.
Schaduk sah überrascht aus. »Aus dem Land der Budinier? Er soll sein Anliegen vortragen.«
Der Läufer nickte und verschwand so eilig, wie er gekommen war.
»Nun, Schreiber, deine Berichte werfen viele Fragen auf«, wandte sich der Immit an Kerva, »doch wir werden uns erst später wieder damit beschäftigen. Halte dich zur Verfügung.«
Unter vielen Verbeugungen entfernte sich Kerva. Er sah erleichtert aus. Offensichtlich war er froh, dass er nicht das Schicksal des Verwalters teilen musste. Eine ganze Schar von Sklaven hob die Weidenkörbe mit den Tontafeln auf und trug sie hinter ihm her. Zwei Krieger mit den schwarzen Schilden des Immit folgten ihnen. Überhaupt war jetzt viel Bewegung in der Halle. Priester, Schabai und andere Würdenträger kamen und gingen. Vorne, in der Nähe des Throns, gab ein Verwalter des Immit Anweisungen, die von Schreibern in Ton gedrückt und dann von Läufern verteilt wurden. Manche dieser Befehle wurden an Männer in der Halle weitergereicht, doch die meisten Boten verließen die Hohe Kammer, um einen Empfänger irgendwo in der Stadt oder auf dem Tempelberg zu erreichen. Maru sah, dass Schab Muqtaq den Raum ebenfalls verließ. Er schob sich ohne Eile durch die Menge nach draußen. Sie fragte sich, ob es wegen des Ringes geschah oder ob der Immit auch für ihn einen Befehl hatte.
Sie wollte Tasil nach seiner Meinung fragen, aber der war mit einem Mal verschwunden. Eben hatte er noch neben Maru gestanden, jetzt war er fort. Im nächsten Augenblick entdeckte sie ihn. Er
stand hinter dem Thron und sprach mit Numur und Abeq Mahas. Sie fragte sich, was er jetzt wieder ausgeheckt hatte – und sie wunderte sich. Der Zeitpunkt schien ihr seltsam gewählt. Vor wenigen Augenblicken hatte der Immit nur Augen und Ohren für Kerva gehabt, doch jetzt bekam er fast zwangsläufig mit, dass sich Tasil mit Numur und dem Abeq des Strydh besprach.
Maru schob sich an den Würdenträgern vorbei auf ihn zu. Er hatte sie zwar nicht darum gebeten, aber er hatte es ihr auch nicht verboten, und sie wollte unbedingt wissen, was er vorhatte. Sie fürchtete, dass sie in seinen Plänen wieder eine Rolle spielen musste, ob sie wollte oder nicht. Außerdem war sie schlicht und einfach neugierig.
Der Immit war aufmerksam geworden und winkte Tasil und Numur heran. Sie sprachen miteinander. Maru beeilte sich, aber es standen ihr zu viele Würdenträger im Weg. Sie bekam gerade noch mit, wie der Immit fragte: »Heute Nacht? Ist das sicher?«
»Ich weiß die genaue Stunde nicht, Herr, noch nicht, und ich weiß auch nicht, wie viele an diesem Verrat beteiligt sind, doch sie werden es heute Nacht versuchen.«
»Sie werden hoffen, dass sie uns überraschen, doch wir werden den Spieß umdrehen«, sagte der Immit lächelnd. Er winkte einen seiner Diener heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der Mann nickte und verschwand eilig.
Bald darauf betraten zwei Männer die Halle unter dem Geleit einiger Krieger des Immit. Maru war verblüfft, sie hatte mit vielem gerechnet, doch nicht damit, dass sie diese beiden Männer an diesem Ort wiedersehen würde. Es waren Atib und Fakyn – Atib der Händler, der sie in Akyr gekauft hatte, und Fakyn, der Hüne
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