Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin
Tage Geduld bitten. Dann sind die Tage der Trauer vorbei, und das Markthaus ist wieder geöffnet. Das erscheint mir klüger, als meine Zeit mit so einer Kleinigkeit zu verschwenden.« Der Immit klang eher amüsiert als verärgert.
»Deine Weisheit ist groß, Herr, und mir selbst kam der gleiche Gedanke. Meine Männer sagen aber, es fehle ihnen nicht an Geduld, sondern an Silber, Herr. Sie sind durchaus bereit, noch zwei Tage zu warten, allerdings sehen sie sich nicht imstande, in dieser Zeit auch meine Waren zu bewachen.«
»Ist das so?«, richtete der Immit seine Frage an Fakyn.
»Wir waren viele Wochen unterwegs, Herr. Die Männer wollen heim zu ihren Familien. Ich kann es ihnen nicht verdenken.«
»Für dich gilt das nicht, Krieger?«
»Auf mich wartet niemand, Herr.«
»Ich verstehe deine Schwierigkeiten, Händler«, wandte sich Schaduk wieder an Atib. »Doch sehe ich nicht, wie ich dir helfen kann. Die Tage der Trauer sind heilig, das Haus des Marktes geschlossen. Dies ist ein Gesetz, das in jeder Stadt des Reiches gilt. Ich werde mich nicht darüber hinwegsetzen.«
»Ich würde nie wagen, dieses Gesetz, das die Akkesch in dieses Land brachten, infrage zu stellen, Herr. Ich hoffe nur auf ein wenig Hilfe und bitte dich, als Herrn dieser Stadt, mir Krieger zur Verfügung zu stellen, zuverlässige Krieger, die im Hafen meine Waren bewachen.«
»Du warst in Akyr, habe ich gehört«, sagte der Immit.
Atib zögerte einen Moment mit der Antwort. Möglicherweise war er nur überrascht, dass das Gespräch plötzlich die Richtung wechselte. »Das war ich, Herr.«
»Du machst schon lange Geschäfte mit den Budiniern, nicht wahr?«
»So ist es, Herr.«
»Wie ich höre, hast du in der Hauptsache Kupfer, Häute und Namenlose mitgebracht.«
»Auch das ist richtig, Herr.«
»Hast du eine Liste deiner Waren?«
»Selbstverständlich, Herr«, sagte Atib und zog eine Tontafel aus den Tiefen seines Gewands.
Der Immit gab einem seiner Diener einen Wink. Als er die Liste in den Händen hielt, nahm er sich viel Zeit, sie zu lesen. Mit jeder Sekunde, die dabei verstrich, wurde Atib nervöser.
»Du hast Einbußen hinnehmen müssen?«
»Oh, nur geringe, Herr. Ein Esel ist mit einer Last Häute in eine Schlucht gestürzt und war ebenso verloren wie die Ware, die er trug. Außerdem verloren wir einen, nein, zwei Sklaven.«
»Wie nun, einen oder zwei?«
Maru lauschte gebannt. Es war unglaublich, dass der Immit genau auf diesen Punkt zu sprechen kam.
»Nun, Herr, zwei, einen Sklaven, eine Sklavin«, sagte Atib, und sein unterwürfiges Lächeln wirkte unsicher.
»Sind sie davongelaufen? Geraubt worden? Am Fieber gestorben?«
»Weder noch, Herr, es war ein Berglöwe, bei der Hochebene von Edhawa. Er hat beide getötet.«
»Ein Berglöwe? Das ist seltsam, denn diese Tiere weichen den Menschen doch für gewöhnlich aus, oder irre ich mich da?«
Maru erinnerte sich mit Schaudern an den Löwen. Sie hatte sich beim Holzsammeln zu weit vom Lager entfernt. Dann war der andere
Sklave aufgetaucht, der, der sie immer so angestarrt hatte. Die Hüter mochten wissen, was er da wollte. Er sollte sich eigentlich um die Esel kümmern, nicht um Feuerholz. Dann die Bewegung im Dickicht, der Berglöwe, der plötzlich hervorbrach. Sie waren beide um ihr Leben gerannt. Sie war gestürzt. Aber der Löwe hatte nicht sie verfolgt, sondern den anderen. Holte er sie vielleicht jetzt doch noch ein? Würde Atib alles verraten, oder würde er sich herauslügen?
»In der Tat, Herr«, sagte der Händler, »es ist ungewöhnlich, doch nehme ich an, dass der Löwe vielleicht toll war, wie es gelegentlich vorkommt. Warum hätte er sonst zwei Sklaven getötet? Und fressen wollte er sie nicht. Sie waren beinahe unversehrt, als meine Krieger sie fanden.«
»War das so, Krieger?«
Fakyn nickte steif. »So war es, Herr, wir haben ihn verfolgt, doch verloren wir seine Spur.«
»Aber sonst war es eine gute Reise?«, fragte der Immit.
Maru fiel ein Stein vom Herzen. Der Immit ging der Geschichte nicht weiter nach.
»Es war eine der ruhigsten seit langem, Herr. Ich habe gute Geschäfte machen können, im Namen unseres Raik. Und mein Schmerz ist groß, dass ich ihm nicht mehr davon berichten kann.«
»Diese Stadt treibt schon lange Handel mit Akyr, ist es nicht so?«
»Du bist sehr gut unterrichtet, Herr«, sagte Atib schmeichlerisch.
»Obwohl die Budinier unsere Feinde sind?«
Atib öffnete den Mund, schloss ihn wieder und lächelte noch
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