Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin
gleichzeitig Abstand. Maru lief näher an den Ring heran. Offenbar geschah dort etwas, aber sosehr sie sich auch reckte, sie konnte nichts erkennen. Sie tippte eine Frau an: »Verzeih, aber kannst du mir sagen, was hier geschieht?«
»Es ist Wifis. Er stirbt, wenn die Heilerin kein Wunder vollbringt.«
»Wifis?«, rief Maru entsetzt aus.
»Du bist das Mädchen aus der Fremde, oder?«, fragte die Frau.
Maru nickte.
»Sie sagen, das Unglück kam mit dir in dieses Dorf.«
Maru erbleichte. Am liebsten wäre sie davongelaufen, aber plötzlich packte sie eine knochige Hand am Arm: »Nehis? Bist du das? Versteckst du dich hinter diesen Fischweibern?«
Es war Wika.
Maru versuchte halbherzig, sich aus dem Griff zu befreien. »Ich verstecke mich nicht«, behauptete sie.
»Umso besser, ich brauche dich hier, komm.« Und mit diesen Worten zog die Kräuterfrau sie durch die Menge. Dann blieb sie kurz stehen und warf der Frau, mit der Maru gesprochen hat, einen eisigen Blick zu. »Und du, Weib, solltest besser dein Schandmaul halten. Nicht das Mädchen hat die Zermalmerin geweckt.«
Die angesprochene Frau schien nicht sehr beeindruckt. Sie schwieg, aber ihr Blick war sehr beredt. Es waren sicher keine freundlichen Gedanken, die sie gegenüber Wika und Maru hegte. Maru fing noch weitere düstere Blicke auf. Wika schnaubte verächtlich und zog sie mit festem Griff durch die Menge, die zögernd Platz machte. Unter dem Dach waren zahlreiche plumpe Kerzen und einige Laternen entzündet worden. Auf einer Schüttung frischen Strohs lag Wifis. Maru war keine Heilerin, aber als sie nähertrat, sah sie sofort, dass es mit ihm zu Ende ging. Sein Atem ging rasselnd. Sie sah blutgetränkte Verbände an seiner Schulter und über seiner Brust. Er war nicht allein, Taiwe, Skeda und Hana saßen bei ihm. Und dann entdeckte Maru zu ihrer Überraschung auch Biredh, der beim Kopf des Sterbenden saß. Dahinter stand der Schrein. Es war eine helle Steinplatte, in die das grobschlächtige Bildnis eines vielarmigen Mannes gehauen war. Er hatte einen mächtigen Bart, der in einen mit Fischen gefüllten Fluss überging. Wika ließ Marus Arm los und betupfte die Stirn des Alten mit einem feuchten Tuch. »Lindern wird es, mehr nicht. Mehr kann ich nicht«, murmelte sie.
»Was ist geschehen?«, fragte Maru leise.
»Wir wissen es nicht genau«, sagte Taiwe, »wir fanden ihn am Hafen, aus schweren Wunden blutend. Es geschah wohl, als sie die Frau jagten.«
»Umati?«, fragte Maru entsetzt.
»Ich weiß ihren Namen nicht. Sie ist ihnen wohl entkommen. Vielleicht hat sie ihn im Blutrausch getötet, denn da lagen noch viele andere tote Männer.«
Maru wollte nicht glauben, was sie da hörte. Hatte Umati den alten Mann getötet?
»Noch eine Bestie, die unser Dorf heimsucht«, murmelte Skeda düster.
»Sie haben ihn einfach dort liegen lassen, zwischen den Toten«, sagte Taiwe bitter. »Nur um ihre Verwundeten haben sie sich gesorgt.«
»Ihren Heiler kenne ich«, sagte Wika. »Es ist besser für Wifis, dass er ihm nicht in die Hände fiel. Besser, er ist bei uns.«
»Aber helfen kannst du ihm auch nicht mehr«, stellte Taiwe fest.
»Nein, das kann ich nicht«, erwiderte Wika müde. »Leichter kann ich es ihm machen. Nur das.«
Maru fühlte sich jämmerlich. Wifis starb. Und auch dafür war sie verantwortlich. Es war unerträglich. Sie flüsterte: »Das ist alles meine Schuld.«
Niemand sagte etwas. Maru spürte die Blicke der anderen: Taiwe, der sich bestätigt fühlte, Skeda, der sich fürchtete, und Hana, der nichts verstand.
Wika kam zu ihr, wieder viel zu nah und sah sie schräg von unten an. »Willst du wieder weinen, Nehis? Wem soll das nützen? Schuld? Woran? An allem? Großes Wort. Hast du das Schwert geführt? Nein. Deine Schuld? Unsinn!«, schimpfte Wika und wandte sich ab. Dann drehte sie sich plötzlich um, packte Maru wieder hart am Arm und starrte ihr aus nächster Nähe ins Gesicht. »Natürlich, Nehis, alles, was du tust, hat Folgen. Immer. Gute. Schlechte. Undenkbare. Aber was, wenn du nichts getan hättest? Keine Folgen? Oder doch? Denke darüber nach.«
Maru stammelte: »Aber...«
Wika unterbrach sie schroff: »Nichts aber, Nehis. Geschehen ist geschehen. Du bist hier, um zu helfen. Nicht um zu jammern. Das ist nutzlos.«
»Aber wie könnte ich denn helfen? Ich bin keine Heilerin.«
»Natürlich nicht! Das wäre ja noch schöner.« Wika lachte meckernd. »Eine ist genug für dieses armselige Dorf. Nein, reden sollst du,
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