Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin
sie es haben, Edaling«, sagte Ulat. Seine Hand zuckte vor, Hana schrie plötzlich auf. Der Akkesch hatte ihm mit dem Dolch durch die Hand gestochen.
Auch Lathe schrie. Maru nahm sie in den Arm und drehte ihren Kopf zur Seite. Das sollte das Mädchen nicht sehen.
Hana ging wimmernd in die Knie und hielt mit ungläubigem Blick seine blutende Hand.
»Stell dich nicht so an, Awier, der Stich war nicht tödlich«, sagte Ulat gelassen.
»Aber ich kann es euch doch nicht sagen«, jammerte Hana.
»Keine Spuren«, sagte Vylkas. Er war auf die Knie gegangen und befühlte den Boden.
»Natürlich«, rief Tasil, »wenn sie diesen Stein verschoben hätten, dann wären hier Spuren im Boden! Wie blind wir doch sind!«
»Ich weiß nicht«, sagte Meniotaibor nachdenklich, »wenn es
stimmt, was man sagt, wurde dieser Stein nicht oft bewegt. Vielleicht sind die Spuren nur verwittert?«
Tasil schüttelte den Kopf und sagte: »Wir müssen ihn anheben, das ist das Geheimnis.«
»Anheben? Diesen Felsen? Dann müssen wir Numur bitten, uns eine Ansai zu Hilfe zu schicken. Alleine werden wir das nie schaffen«, entgegnete Meniotaibor.
Ulat widersprach ihm. »Hast du noch nie gesehen, welche Meisterwerke wir Akkesch vollbringen, wenn wir Paläste und Tempel bauen, Iaunier? Und dies hier ist das Werk der Menschen der Goldenen Zeit. Ich kann mir vorstellen, dass sie zu noch grö ßeren Wundern als wir fähig waren.«
»Vom Reden geht diese Tür jedenfalls nicht auf, Männer«, sagte Bolox und stemmte sich gegen den Stein. Die anderen halfen ihm. Es knirschte. Selbst Maru schaute gebannt auf den schweren Felsen. Dann gab die ungeheure Masse mit einem plötzlichen Ruck nach. Der Stein hob sich eine Winzigkeit an, verharrte, und dann öffnete er sich wie von selbst: Das Fußende hob sich steil gegen den Himmel, bis der Stein fast senkrecht stand. Er gab die ersten Stufen einer Treppe frei, die in der Finsternis verschwand.
»Wahrhaft, ein Wunder«, sagte Ulat ergriffen.
»Sie verstanden sich aufs Bauen, so viel steht fest«, meinte Meniotaibor anerkennend.
Alle starrten sie in das dunkle Loch, das sich vor ihnen aufgetan hatte.
»Wir brauchen Fackeln«, sagte Tasil.
»Wo sollen wir die jetzt herbekommen?«, fragte Bolox. »Hier ist doch alles völlig durchnässt.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Ältesten hier wie die Blinden hinuntersteigen. Irgendwo an der Treppe werden sie etwas haben, das ihnen Licht gibt, wenn sie es brauchen, wir müssen es nur finden.«
»Und wenn sie Fallen gebaut haben? Wir Akkesch tun so etwas.«
»Die Akkesch werden von ihrer eigenen Angst aufgefressen, Ulat. Wir Farwier fürchten uns nicht.«
»Wenn wir noch lange warten, ist es hier draußen bald genauso dunkel wie dort unten«, meinte Meniotaibor. Dennoch bewegte er sich keinen Schritt vorwärts. Maru verstand das nicht. Vor kurzem hatten sie es nicht erwarten können, den Tempel zu betreten, und jetzt zögerten sie. War es Ehrfurcht? Hatten sie wirklich Angst, dass dort im Dunkeln tödliche Fallen auf sie lauerten? Oder fürchteten sie, dass sie ihren Traum vom Gold zerstören würden, sobald sie hinunterstiegen? Maru schaute die Stufen hinab. Modrige Luft stieg aus dem Treppenschacht hinauf. Es roch – nach Verwesung! Sie schaute sich um, suchte das Schilf nach einem Schatten ab. Aber dort war nichts außer unzähligen Halmen, die der Regen beugte. Sie lauschte. Die Unken schwiegen. Hieß das, dass Utukku doch in der Nähe war? Und mit ihm die Erwachte? Und dann stellte sie fest, dass jemand fehlte.
»Wo ist Hana?«, fragte sie.
Die Männer fuhren herum. Keiner von ihnen hatte auf den Edaling geachtet.
»Ulat, das war deine Aufgabe«, herrschte Meniotaibor den Akkesch an.
»Ihr habt mich doch hier gebraucht, sonst wäre dieser Stein immer noch verschlossen.«
Bolox war mit Tasil unterdessen zum Ufer gerannt. Aber sie kehrten ohne Hana zurück. »Sein Boot ist fort. Er hat sich davongemacht«, sagte Bolox.
»Wir müssen ihm nach«, meinte Ulat.
Das war einleuchtend, aber keiner der Männer rührte sich. Stattdessen tauschten sie lauernde Blicke aus.
»Geh nur, Ulat, niemand hindert dich«, sagte Meniotaibor.
»Warum ich? Warum nicht du?«
»Ich war es nicht, der ihn entwischen ließ, Akkesch.«
»Dann tu dich doch hervor, und fange ihn wieder ein, tapferer Iaunier.«
»Ich werde diese Insel nicht wieder verlassen, nicht, bis ich mein Boot voll mit Gold geladen habe.«
»Lasst ihn doch ziehen, Männer. Wir brauchen ihn
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