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Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin

Titel: Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Zeiten waren hart, wie immer, vielleicht sogar härter, aber niemand behauptete, die Awathani sei an allem schuld. Die Dörfler schienen sie aus ihren Gedanken auszusperren, wie all das andere Böse, das sie umgab. Und doch sprach aus jedem Satz die Angst, die sie beherrschte. Maru entdeckte, dass es auf der Südseite der Insel einen ebensolchen Hafen wie im Norden gab. Das Gatter, das die kleine Bucht schützte, war geöffnet, aber es sah nicht aus, als ob irgendwelche Boote draußen wären. Dicht an dicht lagen die Nachen am Ufer. Fischer waren damit beschäftigt, den Rumpf eines Bootes auszubessern. Unweit der Bucht stand ein auffällig großes Haus. Es ruhte auf massiven Säulen und war, mit Ausnahme des Samnaths, größer als alle anderen Hütten, die Maru gesehen hatte. Jemand war auf dem Dach und deckte neue Lagen Schilf auf. Wegen seines Regenüberwurfs konnte Maru ihn nicht gleich erkennen, aber dann hörte sie eine keifende Stimme, die den Mann antrieb, weil es immer noch hineinregnete. Sie gehörte eindeutig Skeldiga. Das war also vermutlich das Haus des Dhanis-Schreins, von dem Hiri gesprochen hatte. Ob die beiden darin wohnten? Maru hätte große Lust gehabt, sich den Schrein anzusehen, aber sie spürte kein Verlangen, Skeldiga oder Hana zu begegnen. Dann fiel ihr ein Junge auf, ungefähr in ihrem Alter, also fast schon ein Mann, der etwas Schweres durch den Regen trug. Es war in Stroh gewickelt und dampfte. Er hatte es eilig, und sein Ziel war das Schreinhaus.
    »Skeldiga, der Junge kommt«, rief Hana vom Dach.
    Seine Frau erschien oben an der Treppe. »Aber du machst das erst fertig!«, schrie sie nach oben.
    »Spät kommst du«, schalt sie den Jungen und nahm ihm ab, was er trug. Sie wickelte einen schwarzen Topf aus dem Stroh und hob den Deckel an. »Wieder nur Gemüse und Fisch? Was denkt ihr euch? Deine Schwester wird noch verhungern. Glaubt ihr, dass Gemüse die Zermalmerin zufrieden stellt?«

    Der Junge schwieg. Maru sah, dass er die Fäuste geballt hatte.
    »Ziegenfleisch! Hörst du? Sag deiner Mutter, deine Schwester braucht mehr Fleisch«, schimpfte Skeldiga.
    Der Junge gab wieder keine Antwort.
    »Verschwinde jetzt«, sagte die Frau des Edalings schlecht gelaunt. »Vielleicht hast du nichts zu tun, aber wir müssen noch viel vorbereiten!« Und damit verschwand sie im Haus.
    Der Junge blieb noch eine Weile vor dem Eingang stehen. Er spähte hinein und schien mit sich zu kämpfen, aber dann drehte er sich um und lief davon. Maru folgte ihm, aber sie umrundete zunächst eine Hütte, damit es dem Edaling auf dem Dach nicht auffiel. Der Junge lief schnell, und selbst von hinten konnte Maru ihm ansehen, dass er wütend war. Auf Höhe des Samnaths hatte sie ihn fast eingeholt.
    »He, du, warte«, rief sie. Etwas Besseres fiel ihr nicht ein.
    Der Junge warf einen Blick zurück über die Schulter und ging weiter. Maru musste rennen, um zu ihm aufzuschließen.
    »Was ist los? Hast du Angst vor mir?«, fragte sie.
    Der Junge blieb stehen. Der Regen rann ihm übers Gesicht. »Ich habe vor niemandem Angst!«, sagte er.
    »Und warum rennst du dann so?«
    »Ach, was geht das dich an, Fremde?«
    Maru sah ihm ins Gesicht. »Ich glaube, es geht mich sehr viel an.«
    Der Junge erwiderte ihren Blick, und sie konnte sehen, dass der Zorn aus seinen braunen Augen wich. »Du bist die Nichte von diesem Urather, oder?«
    »Genau, Maru Nehis heiße ich. Oder einfach Maru.«
    »Stimmt es, dass er dich verkaufen will?«
    »Das ist nicht wahr«, sagte Maru sehr bestimmt, obwohl bei dieser Frage sofort der nagende Zweifel wieder erwachte.
    Der Junge sah auf einmal müde und traurig aus.

    »Wie ist dein Name?«, fragte Maru.
    »Ich bin Rema.«
    »Sag, Rema, warum hast du Skeldiga eben etwas zu essen gebracht?«
    »Das war doch nicht für sie! Das Essen ist für Lathe, meine Schwester.«
    »Hält der Edaling sie etwa gefangen?«, fragte Maru überrascht. Sie konnte keine Ähnlichkeit zwischen Rema und seinem Großvater erkennen.
    »Sie sagen, dass sie sie vorbereiten müssen, für das Opfer. Damit die Riten eingehalten werden«, antwortete Rema verbittert.
    Das mochte wirklich der Grund sein. Jedes Opfer erforderte einen bestimmten Ritus, der genauestens beachtet werden musste. Nur dann bestand die Aussicht, dass die Götter oder Ahnen das Opfer auch annahmen. Das wusste Maru noch aus Akyr, wo sie aufgewachsen war. Die Vorbereitungen konnten Stunden, bei hohen Festen oder wichtigen Opfern auch Tage in Anspruch nehmen. Aber

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