Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin
Können wir jetzt los?«
Aber Rema machte keine Anstalten, das Boot in Bewegung zu setzen. Er drehte sich zu Maru um und sagte: »Eines noch; wir müssen den Fluss überqueren.«
»Was meinst du?«
»Dwailis, er wohnt weit südlich des Dorfes und auf der anderen Seite des Stroms.«
»Und?«
»Es kann sein, dass Sie im Strom ist.«
»Die Awathani?«
»Bitte, sprich ihren Namen nicht aus! Sie könnte es hören und kommen.«
Maru nickte ergeben. Jetzt wusste sie, warum im Dorf niemand über die Seeschlange sprach. »Ich werde es mir merken«, versprach sie.
»Gut, wenn wir das offene Wasser überqueren, müssen wir uns beeilen, sehr beeilen. Wenn ich es sage, musst du so schnell paddeln, wie du nur kannst.«
Maru versprach auch das, und Rema stieß das Schilfboot endlich vom Ufer der Insel ab. Er lenkte es in einen weiteren, schmalen Kanal. Maru hoffte, dass sie ihn nicht zu sehr verärgert hatte. Ihren Ausbruch schlechter Laune hatte er mit bemerkenswerter Ruhe übergangen. Überhaupt: Sie mochte ihn.
Nach kurzer Zeit erreichten sie den Schilfgürtel, der die sumpfigen Arme vom Dhanis trennte. Der Regen hatte ein wenig nachgelassen. Rema verlangsamte ihre Fahrt. Das gegenüberliegende Ufer schien nicht viel weiter als einen Steinwurf entfernt. Er zögerte.
»Was ist?«, fragte Maru.
»Ich weiß nicht, ich habe ein ungutes Gefühl.«
Auch Maru fühlte sich beklommen. Das offene schwarze Wasser floss glatt dahin. Es gab keinerlei Anzeichen von Gefahr. Große Inseln aus Suwagras trieben träge stromabwärts. Aber diese Ruhe war irgendwie nicht geheuer. »Sollen wir es lieber an einer anderen Stelle versuchen?«, fragte sie.
Rema seufzte. »Diese ist so gut wie jede andere. Es sind wohl nur die Geschichten, die man so hört.«
»Wahrscheinlich«, sagte Maru. Sie hoffte, dass er Recht hatte, aber das ungute Gefühl blieb. Der Strom roch faulig.
»Gut, denk an das, was ich gesagt habe: So schnell, wie es geht, los jetzt!«
Rema tauchte das Blatt seines Paddels ins schwarze Wasser und brachte das Boot auf den Strom hinaus. Maru hätte am liebsten »Halt« gerufen, aber jetzt war es zu spät. Also paddelte sie, so schnell sie konnte. Etwas stimmte nicht. Aber was? Das schwere Boot glitt über das Wasser, nahm einen kleinen Strudel mit und wurde schneller. Sie kamen gut voran. Dann wusste sie es: Es war still. Es waren weder Unken noch Regenpfeifer zu hören. Nur der Regen rauschte leise ins schwarze Wasser. Maru versuchte, den
Takt zu halten, den Rema vorgab, aber sie war bei weitem nicht so schnell wie er. Plötzlich sah sie etwas, im Augenwinkel, auf einer der Inseln, mitten im Strom. Da war eine schattenhafte, dunkle Gestalt. Menschlich, oder nicht? Ein weiterer Strudel erfasste das Boot und drehte den Bug aus der Fahrtrichtung. Sie verlor beinahe das Gleichgewicht. »Rema«, rief sie, »siehst du ihn?«
»Wen?«, fragte Rema, keuchend vor Anstrengung. Er steuerte das Boot mit dem Paddel zurück auf Kurs.
Maru suchte die Insel ab, aber die Gestalt war verschwunden. »Dort drüben, auf der Insel, da stand jemand«, rief sie.
»Da kann niemand stehen, das ist Suwagras.« Für einen winzigen Augenblick hielt er im Paddeln inne, aber dann schien er seine Anstrengungen noch zu steigern. »Schneller«, keuchte er.
Sie paddelten schneller. Plötzlich sah Maru neben dem Boot eine lange Reihe von Luftblasen aufsteigen. Es war eine Bahn, die ihrem Gefährt zu folgen schien. Maru ließ sie nicht aus dem Auge. Die Blasen kamen näher, überholten das Boot auf der linken Seite und schwenkten dicht vorm Bug plötzlich scharf nach rechts, bevor sie verschwanden. Ein schneller Strudel erfasste sie, und das Boot drehte sich erneut. Plötzlich stiegen überall um sie herum Blasen auf. Es roch nach Verwesung. Eine riesige Luftblase kam dicht vor ihrem Boot nach oben.
»Achtung!«, rief Rema und zog sein Paddel aus dem Wasser. Instinktiv tat Maru es ihm gleich. Faulige Gase stiegen auf, und das schwarze Wasser unter ihnen geriet in Bewegung. War der Strom nicht eben noch so friedlich und träge geflossen? Jetzt bildeten sich überall Strudel und Wirbel, die ihr Boot erfassten und mal in die eine, dann in die andere Richtung drehten.
»Halt dich fest!«, rief Rema. Das musste er nicht zweimal sagen. Maru klammerte sich längst an die Schilfbündel der Bordwand. Ein dunkles Brausen schwoll an. Es schien direkt unter ihnen zu sein. Das Boot drehte sich schneller. Das Wasser unter
ihnen brodelte gelblich auf, aber
Weitere Kostenlose Bücher