Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin
nicht nur dort, auf der ganzen Breite des Flusses war das Wasser mit einem Mal in wilder Bewegung. Da unten war etwas. Maru stellte entsetzt fest, dass ihr Boot flussaufwärts getrieben wurde. Unter ihnen bewegte sich etwas. Es musste riesig sein. War Sie es? Maru wollte es nicht wahrhaben, aber das wild tanzende Wasser unter ihr ließ keine Zweifel zu: Die Awathani hatte sie gefunden, und sie spielte mit ihnen und ihrem Boot. Harte Wellen aus dem Nichts trafen den kleinen Nachen. Maru schrie auf. Das Wasser schäumte, und Maru, die hinabstarrte, dachte für einen Augenblick, dort unten, tief unter den schwefelgelben Schaumkronen, etwas zu sehen. Schwarz, dunkel, viel dunkler als das finstere Wasser des Stroms. Plötzlich wurde ihr Boot angehoben. Einmal, zweimal. Maru und Rema schrien. Ihr Gefährt wurde von einer mächtigen Wassersäule erfasst und in die Luft geschleudert. Es drehte sich, neigte sich zur Seite, landete klatschend auf dem Fluss. Die Schilfbündel ächzten. Schlagseite! Wasser strömte über die Bordwand. »Wir kentern! Auf die andere Seite, die andere Seite!«, rief Rema entsetzt und warf sich nach rechts. Maru löste sich aus ihrer Erstarrung und tat es ihm gleich. Ihr Boot richtete sich stöhnend auf. Der Strom kochte. Überall wurde Wasser emporgeschleudert, Wellen jagten kreuz und quer über den Fluss. Wilde Strudel wirbelten in gegensätzliche Richtungen. Ihr Boot tanzte. Sie sahen, in derselben Sekunde, aber dutzende Schritte entfernt, wie eine ganze Insel aus Suwagras von einer schwarzen Masse angehoben wurde und in tausend Teile zerriss. Dann fiel die riesige Welle unter dem Gras plötzlich zusammen und versank in einem mächtigen Strudel im Strom. Der Strudel währte nur einen Augenblick, dann stürzte das Wasser über seinen Rand, fast wie bei einem Wasserfall, und schloss ihn mit lautem Rauschen. Eine große Welle raste über den Fluss und drückte ihr Boot zur Seite. Es sackte ab, nahm Wasser auf, und wieder mussten sie sich auf die rechte Seite werfen, um ein Kentern
zu verhindern. Sie klammerten sich verzweifelt fest, am Schilf, aneinander. Dann hörte es auf. Die Wellen verebbten, das Brausen verklang. Das Boot kreiselte noch eine Weile in Wirbeln und Strudeln, aber dann war es vorüber. Der Dhanis beruhigte sich. Nur die Fetzen von treibendem Gras bewiesen, dass sich dort eben, für einen Augenblick, die Große Seeschlange gezeigt hatte. Maru und Rema hielten einander immer noch umklammert.
»Was war das?«, fragte Maru keuchend, obwohl sie es natürlich genau wusste.
»Was wohl?«, sagte Rema. Das Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben.
»Hast du sie gesehen?«, fragte Maru. Sie bemerkte plötzlich, dass sie sich an Remas Arm festhielt.
Rema schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Da war etwas, unter dem Suwagras. Aber vielleicht war das auch nur Wasser.« Sein Atem ging schwer.
»Glaube ich nicht«, keuchte Maru.
»Ich auch nicht«, sagte Rema. Er war kalkweiß im Gesicht. Maru konnte sich vorstellen, dass sie auch nicht sehr viel besser aussah. Sie ließ Rema verlegen los und zog sich ein Stück von ihm zurück. Ihr rasender Herzschlag beruhigte sich allmählich. Sie tastete nach ihrem Paddel und schwor sich, die Awathani nie wieder beim Namen zu nennen. Fetzen von Suwagras trieben haltlos an ihrem Boot vorüber.
»Sie hat uns verschont«, flüsterte Maru.
Rema nickte. Er nahm einen kleinen hölzernen Eimer und begann, das eingedrungene Wasser aus dem Boot zu schöpfen.
»Das wird uns kein Mensch glauben«, flüsterte Maru.
Rema nickte noch einmal schwach. Eine Weile trieben sie auf dem Strom dahin, ohne die Paddel zu benutzen. Dann sagte der Junge: »Es wird auch besser sein, wenn wir es niemandem erzählen.«
»Warum?«, fragte Maru. Sie starrte immer noch auf das schwarze Wasser, als könne Sie jeden Augenblick zurückkehren.
Rema nahm sein Paddel zur Hand. »Seit Sie hier aufgetaucht ist, sind vier unserer Fischer auf dem Strom verschwunden. Ich weiß nicht, wie ihre Familien darüber denken, wenn wir von unserer Begegnung berichten. So viel Glück wird vielleicht nicht gern gesehen.«
Maru hatte ungefähr eine Ahnung, was er meinte. Sie schloss die Augen und sah noch einmal den schwarzen Buckel, der das Suwagras anhob. »Wika hat gesagt, dass sie riesig ist, aber ich konnte es mir nicht vorstellen.«
»Wika ist ihr begegnet? Das wusste ich nicht. Du siehst, auch sie hält es für klüger, es niemandem im Dorf zu sagen.« Rema tauchte sein Paddel ein,
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