Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin
waren gekommen, um alle tauglichen Männer in den Waffendienst zu zwingen. Maru sah die Ältesten Taiwe und Skeda, die auf einen Krieger einredeten. Das musste der Schab sein. Maru verstand nicht, was die beiden sagten, aber sie konnte ihnen ansehen, wie flehentlich ihre Bitten waren. Der Krieger gab sich unbeeindruckt und blickte stur geradeaus. Er war jung, viel jünger als die Männer, die er befehligte. Vermutlich hatte er seinen Rang nur seiner Abstammung zu verdanken. Maru zählte ein Dutzend Bewaffnete, also war es wohl nur eine Eschet. Hätten die Dorfbewohner Waffen gehabt... nein, das war Unsinn. Bewaffneter Widerstand wäre Selbstmord gewesen. Was sollten diese einfachen Leute gegen diese harten Krieger mit ihren Rüstungen und Waffen ausrichten? Rechts von Maru hatte sich eine Frau vor einem Akkesch niedergekniet. Sie klammerte sich an seinen Gürtel und bat um Schonung für ihren Sohn. Der Krieger lachte und stieß sie mit dem Fuß fort. Maru überlegte fieberhaft. Die Verzweiflung der Dorfbewohner war nur zu begreiflich. Wenn die Männer in den Krieg ziehen mussten, würden sie lange nicht wiederkommen. Und wer würde die Netze auswerfen, solange sie fort waren? Wenn diese Eschet aus Ulbai all die Männer mitnahm, dann konnte das den Untergang des Dorfes bedeuten. Noch etwas wurde ihr mit bitterer Schärfe bewusst. Tasil erklärte ihr zwar nicht sehr viel, aber sie hatte im Samnath doch genug über den Krieg gehört, um zu verstehen, dass die Sache des Kaidhans so gut wie verloren schien. Das hieß, dass die Männer in eine verlorene Schlacht ziehen sollten. Und Verlierer einer Schlacht kehrten oft nicht heim. Und Rema war einer von ihnen. Sie musste etwas unternehmen! Aber was? Der Schab! Er war der Schlüssel. Seine versteinerte Miene sah nach Verachtung aus, aber das stimmte gar nicht. Maru konnte es beinahe riechen: Der Mann hatte Angst! Seine Überheblichkeit war nur Tarnung. Er war jung und überfordert, und er hasste, was
er tun musste. Er war sicher nicht Schab geworden, um wehrlose Fischer zum Heerdienst zu pressen. Vielleicht war er sogar klug genug, um zu wissen, wie wenig solche Krieger im Kampf taugen würden, in einem Krieg, der ohnehin schon so gut wie verloren war. Das alles machte ihn unglücklich – und verwundbar für eine besondere Waffe, eine Waffe, die Maru von Tasil erhalten hatte. Es wurde Zeit, sie endlich anzuwenden.
Sie drängte sich an dem Krieger, der sie verspottet hatte, vorbei, schob sich durch die schreiende Menge und achtete darauf, sich dem Schab langsam zu nähern. Er durfte keinen Verdacht schöpfen. Es war gut, dass Taiwe und Skeda ihn ablenkten. Maru fiel auf, dass Hana nirgendwo zu sehen war, aber das war jetzt nebensächlich. Sie erreichte den Schab und legte ihm ihre Hand sanft auf den Arm. Es war wichtig, ihn zu berühren, die Verbindung zu seinem Geist war anders gar nicht möglich. Er spürte ihre Hand und wandte sich ihr irritiert zu. Und Maru sprach mit ihm. »Das Wichtigste ist, dass du selbst glauben musst, was du sagst«, hatte Tasil ihr erklärt, »und wenn du etwas verlangst, musst du bereits sehen, wie es geschieht.« Seine Erklärungen waren knapp und ungenau. Maru fand bald heraus, dass er es einfach nicht besser wusste. Entweder war sein Lehrmeister nicht sehr gut, oder Tasil war ein schlechter Schüler gewesen. Doch daran durfte sie jetzt nicht denken. Zweifel waren bei ihrem Vorhaben nicht erlaubt.
»Verzeih, hoher Schab«, begann sie lächelnd. Die Zweite Stimme, das war das Geheimnis, die Stimme, die ohne Worte auskam und die niemand vernahm, außer dem, der angesprochen wurde. Jeder in der Nähe hörte, wie Maru sagte: »Ich will dich nicht stören, denn ich sehe, du bist ein Mann, der viel Verantwortung zu tragen hat.« Aber ihre zweite Stimme, die nur ein Flüstern in der Seele des Schabs war, sprach dabei von der ungeheuren Last, die
er sich aufgeladen hatte und die er doch eigentlich gar nicht tragen müsste.
Der Schab blinzelte unsicher. Er öffnete den Mund, sagte aber nichts. Sein Blick wurde leicht verklärt, denn während Maru die Worte »Können wir euch nicht helfen, zu unser beider Nutzen?«, aussprach, schlich sich der Gedanke in sein Innerstes, wie angenehm es doch wäre, das Joch seines Amtes abzuschütteln und Frieden zu bringen – dem Dorf, seinen Männern, sich selbst. Und alles, was er dafür tun musste, war, seine Leute zurückzurufen und die Insel zu verlassen. Es war so ungeheuer einfach. Das versicherte ihm die
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