Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin
die Awathani geholt hatte – hier konnte man leicht ums Leben kommen. Und diejenigen, die nicht im Sumpf starben, wurden in ihm verrückt. Jedenfalls die meisten. Sie wollte so schnell wie möglich hinaus aus dieser Einöde. Eine Stimme in ihrem Hinterkopf sagte ihr, dass das auch hieße, sich von Rema zu verabschieden. Sie biss sich auf die Lippen. Aus irgendeinem Grund schien ihr Herz schneller zu schlagen, wenn sie an ihn dachte. Sie verdrängte den Gedanken wieder. Vielleicht würde er ja mitkommen! Ob Tasil das erlauben würde? Tasil. Was mochte er den
ganzen Tag unternommen haben? Ihr schlechtes Gewissen meldete sich. Er hatte sie beauftragt, das Dorf zu überwachen, und sie war auf eigene Faust losgezogen. Sie hatte gehofft, bei ihrem unerlaubten Ausflug etwas Wichtiges in Erfahrung bringen zu können, aber was hatte sie erreicht? Nichts! Wika würde ihnen nicht helfen, die Awathani zu vergiften. Und Dwailis? Nun, den hatten sie auf den nächsten Tag verschoben. Sie musste sich eingestehen, dass ihr Ausflug ein Fehlschlag gewesen war. Andererseits: Sie war der Zermalmerin begegnet. Das war sicher mehr, als Tasil würde vorweisen können. Aber sollte sie ihm überhaupt davon erzählen? Und von dem Schatten, den sie auf der Suwagras-Insel gesehen hatte? Der Gedanke an diese Gestalt verfolgte sie.
»Da stimmt etwas nicht«, sagte Rema.
Maru richtete sich im Boot auf, um zu sehen, was Rema meinte. Sie hatten gerade die Schilfgrenze erreicht. Das Dorf lag vor ihnen. Sie mussten nur noch den Fluss überqueren. Hatte er etwa die Große Schlange gesichtet? Dann sah sie selbst, was er meinte. Eine dicke weiße Rauchwolke stand über dem Dorf, und Lärm hallte über den Fluss. Maru hörte weinende Frauen und schreiende Kinder. Und irgendjemand brüllte Befehle.
»Los, Beeilung«, rief Rema und tauchte sein Paddel ein.
Maru tat es ihm gleich. Irgendetwas geschah dort im Dorf. Brannte es? Oder wurde es überfallen? Beinahe klang es so. Wenn sie konnten, mussten sie helfen. Wenn sie konnten. Das Gatter, das den Hafen sichern sollte, stand weit offen. Rema lenkte das Boot ans Ufer, und sie sprangen an Land. Die Schreie wurden lauter. Der Rauch kam ungefähr von dort, wo die Edhil-Säule stand. Was war da nur los? Was immer es war, es klang nicht gut. Rema rannte, und Maru folgte ihm, so schnell sie konnte. Da war eine Menschenmenge, das ganze Dorf schien versammelt. Sie bogen um die Ecke von Skefs Stall. Plötzlich wurde Rema von zwei starken Händen an der Schulter gepackt.
»Hier ist noch einer!«, rief eine raue Stimme. Dann spürte auch Maru einen harten Griff an der Schulter. »Und hier... ach nein, nur ein Weib!«, rief eine zweite Stimme und ließ sie wieder los. Sie stolperte und stürzte.
»Hoppla! Hoffentlich hat sich die Kleine nicht wehgetan. Wäre doch schade«, röhrte die zweite Stimme lachend. Raue Männerstimmen fielen in das Gelächter ein. Maru blickte auf ein paar lederne Stiefelspitzen. Ein knöchellanger Schuppenpanzer fiel auf die Füße des Sprechers. Sie rappelte sich auf. Vor ihr stand ein schwer gepanzerter Krieger der Akkesch. Er stützte sich auf seine Lanze und grinste sie von oben herab an. »Na, Kleine, habe ich dich erschreckt? Du musst nicht vor mir knien, ich bin kein Gott, nur ein Krieger des Kaidhans, was für dich aber auf dasselbe hinauslaufen sollte.«
Maru starrte den Sprecher verblüfft an.
»Deswegen sind wir nicht hier, reiß dich zusammen, Schamaku!«, rief eine junge, helle Stimme.
Maru stand auf. Sie hatte von Tasil gelernt, dass es wichtig war, in jeder Lage einen kühlen Kopf zu bewahren. Schnell blickte sie sich um. Das ganze Dorf war versammelt. Ein Feuer aus nassem Holz qualmte an der Edhil-Säule. Sie war bereits angesengt. Wenn sie nicht achtgaben, würde sie bald in Flammen aufgehen. Nahe beim Feuer waren die Männer des Dorfes zusammengetrieben worden. Nicht alle, aber alle, die im Waffenalter waren. Und Rema gehörte jetzt auch dazu. Sechs Krieger bewachten sie. Weitere Krieger drängten die übrige Menge, die Alten, die Frauen und die Kinder zurück. Sie alle trugen die schweren Panzer der Akkesch. Die großen, runden Schilde hatten sie auf den Rücken geschnallt, und mit ihren langen Speeren hielten sie die Dorfbewohner im Zaum. Frauen flehten um Gnade für ihre Männer und Söhne, so als seien sie zum Tode verurteilt. Vielleicht stimmte das sogar. Maru verstand jetzt, was da vor sich ging: Es waren
die Werber, von denen der Richter gesprochen hatte. Sie
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