Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin
hatten besser
aufgepasst und hegten Zweifel. Und dann hatte dieser Schab aus Ulbai sie noch laut der Hexerei beschuldigt. Sie hatte am Morgen schon den einen oder anderen seltsamen Blick aufgefangen. Es lag scheue Bewunderung in diesen Blicken, aber auch Furcht. Maru wollte nicht, dass jemand Angst vor ihr hatte. Der alte Taiwe wusste inzwischen sicher längst, was da geschehen war. Aber verstand er es auch? Noch hatten die Dorfbewohner andere Sorgen, aber wenn sie erst einmal anfingen nachzudenken, würden sie bald Fragen stellen. Und das konnte gefährlich werden. Maru schob diese Gedanken zur Seite und wandte sich mit einem freundlichen Lächeln an den Wächter: »Sag, edler Krieger, was machen die Männer eigentlich dort drüben?«
»Wirst du schon sehen«, brummte der Speerträger.
Maru sah tatsächlich etwas, nämlich viele Männer, die am Damm arbeiteten. Offenbar versuchten sie, die Schäden auszubessern.
»Sie bringen den Weg in Ordnung, ist es das?«, fragte sie.
»Möglich«, lautete die knappe Antwort.
»Du weißt es nicht?«, fragte Maru mit gespielter Überraschung.
»Natürlich weiß ich es«, sagte der Krieger unwillig. »Sie befestigen den Weg, wie du sagtest, Mädchen. Und jetzt verschwinde, ich habe zu tun!«
Maru sah ein, dass sie hier nicht mehr erfahren würde. Sie wäre gerne auf eine der Hütten geklettert, um eine bessere Übersicht zu bekommen, doch in jeder der Pfahlbauten waren Krieger Fakyns untergebracht. Sie strich den Zaun entlang und spähte immer wieder hinüber zum Dammweg. Sie entdeckte eine Gruppe, die eilig viele lange Baumstämme über den Damm trug. Das versprach spannend zu werden. Sie blieb stehen und sah zu, wie die Männer die dünnen Stämme bis zum äußeren Tor trugen und dann ablegten.
»Sie bauen eine breitere Brücke, Maru Nehis«, sagte jemand. Es war Biredh, der sich unter dem Dachvorstand der nächsten Hütte untergestellt hatte.
»Biredh!«, rief Maru erfreut, »wo warst du nur?«
Es war so viel geschehen, dass ihr erst jetzt auffiel, dass sie den Blinden den ganzen Tag nicht gesehen hatte. Er beantwortete ihre Frage nicht, sondern sagte: »Es kommen jetzt Tage, da wird man einen Erzähler weder brauchen noch ihm zuhören. Blutige Tage, angefüllt mit Schrecken und Gefahren.«
Das war entmutigend. Maru seufzte. »Weißt du, was geschehen wird?«, fragte sie.
Biredh lächelte plötzlich. »Ich weiß sicher nicht mehr als du, Maru Nehis. Vielleicht habe ich nur die Gabe, die Zeichen besser lesen zu können.«
»Welche Zeichen?«, fragte Maru und hoffte, der Alte würde nicht wieder nur in Rätseln sprechen.
»Sie verbreitern den Weg. Sie bauen eine neue Brücke. Was kann das heißen? Etwas wird kommen – oder Jemand. Jemand, der wichtig ist, oder Etwas, das schwer ist. Vielleicht beides? Den Rest überlasse ich dir, Maru Nehis.«
Also doch wieder nur Rätsel. Maru seufzte. Schwer und wichtig? Wer oder was sollte das sein? Sie schüttelte den Kopf. Irgendwie würde sie das schon herausfinden. Eine andere Frage beschäftigte sie: »Sie haben uns aus Hiris Herberge gewiesen. Dich auch? Wo bist du jetzt untergekommen?«
»Ich sitze meist mit meinem Freund Wifis unten am Hafen und werde heute Nacht wohl in einem der Boote schlafen. Das ist gut genug.«
»So ein Unsinn! Wir haben ein Dach über dem Kopf. Da ist sicher noch Platz für dich.«
»Und du meinst, dort bin ich besser aufgehoben?«, fragte Biredh lächelnd.
Irgendetwas in der Art, wie er die Frage stellte, beunruhigte Maru. Ihre Nackenhaare stellten sich auf. Was meinte er denn jetzt schon wieder? Dann schüttelte sie den Gedanken ab. »Natürlich. Es ist warm und trocken, es riecht nur ein bisschen nach Ziege.«
Biredh lachte. »Ein guter Geruch, ist es doch der Duft friedlicher Zeiten. Dann führe mich hin, Maru Nehis. Ich würde jetzt doch gerne aus diesem ewigen Regen herauskommen.«
»Hast du noch Sachen bei Hiri? Ich kann sie schnell holen gehen.«
»Ich habe meinen Mantel und meinen Stock. Mehr brauche ich nicht.«
Es fand sich tatsächlich noch ein Platz in der neuen Unterkunft für den Erzähler. Maru schien es, als würden sich diese harten Krieger freuen, den Blinden in ihrer Mitte zu haben. Nur Tasil gab sich unzufrieden: »Ich hoffe, du hast mehr mitgebracht als diesen blinden Mann, Kröte.«
Maru berichtete von den Arbeiten am Damm und zögernd gab sie Biredhs Vermutung wieder: »Wenn sie den Weg und die Brücke verbreitern, heißt das, dass etwas Großes und Schweres
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