Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin
Frage. Dort bewegte sich etwas. Der Schab der Wach-Eschet
trat aus dem Unterstand hinaus in den Regen, schüttelte etwas Wasser aus seinem Horn und erwiderte das Signal. Das Dorf geriet in Bewegung. Aus jeder Hütte stürzten Bewaffnete hervor, gürteten sich eilig und sammelten sich hinter dem Tor. Jetzt war es also so weit.
Der Baumeister stöhnte: »Schneller, ihr Hunde, schneller!«
Die Männer an der Brücke fluchten und verdoppelten ihre Anstrengungen. Aber sie würden es trotzdem nicht schaffen, ihr Bauwerk war nicht einmal zur Hälfte fertig. Maru beobachtete den Waldrand. Ein Streitwagen tauchte auf. Der Mann neben dem Wagenlenker blies noch einmal in sein Horn und wieder antwortete der Schab. Die Krieger hinter ihr begannen, rechts und links des Eingangs Stellung zu beziehen. Schabai bellten Befehle. Da drüben kam etwas, etwas Großes, das sogar die Bäume überragte. Es schien in Tücher gewickelt zu sein und bewegte sich langsam voran. War es das, worauf hier alle warteten? Jetzt kamen weitere Krieger aus dem Wald. Speerträger und dann auch Krieger, an deren Schultern breite Klingen blitzten. Waren das die gefürchteten Doppeläxte, wie sie die Leibwache des Raik in Serkesch getragen hatte? Maru strengte ihre Augen an. Ohne Zweifel, es war die Leibwache. Jetzt ahnte Maru, wen sie zu erwarten hatte. Ihr wurde flau im Magen. Eine Reihe von drei Streitwagen tauchte auf dem Dammweg auf. In den ersten beiden führten Männer große Standarten, die aber, wohl wegen des Regens, zusammengerollt waren. Im dritten Wagen stand ein Mann, unter dessen Mantel eine prachtvolle Rüstung schimmerte.
»Wenn es bei dem Regen noch leuchtet, muss es Silber sein«, sagte Tasil, der plötzlich neben Maru auftauchte.
»Malk Numur«, sagte Maru leise. Sie hatte den Malk nie gemocht.
»Er nennt sich jetzt Alldhan, Kröte.«
Das machte es in ihren Augen nur noch schlimmer. Sie dachte
an Iddin, Numurs Bruder, der unter Tasils Messer gestorben war. Iddin, der vernünftigere, ruhigere, einfach bessere der beiden Malk. Aber Numur hatte die Macht in Serkesch und, so wie es aussah, fast im ganzen Reich übernommen.
Auch die anderen Söldner waren jetzt am Zaun. »Was ist das da, da hinten, was durch den Wald kommt?«, fragte Ulat.
»Ich weiß nicht«, sagte Meniotaibor, »es ist groß, doch wie eine Kriegsmaschine sieht es nicht aus.«
Etwas anderes beschäftigte Maru noch mehr. Hinter der Gruppe um den Alldhan kam eine weitere Schar Leibwächter, aber dann folgten einige Reiter. Sie trugen lange schwarze Mäntel. »Sieh nur, Onkel«, flüsterte sie.
Tasil starrte hinaus, bis er sicher war, dass der strömende Regen seine Sinne nicht täuschte. »Hakul!«, fluchte er, und Maru entdeckte auf seinem Gesicht Züge, die dort selten zu finden waren: Er sah besorgt aus.
»Beeilt euch, ihr Männer«, rief der Baumeister, »oder wollt ihr, dass uns der Alldhan an die Flussechsen verfüttert?«
Immerhin waren die Pfeiler fertig, und die Männer konnten den Fluss verlassen. Die Bogenschützen nahmen die Pfeile von den Sehnen und gingen rechts und links des Damms in Aufstellung, um Alldhan Numur zu begrüßen. Und als hätten sie nur darauf gewartet, versammelten sich unter der Brücke jetzt die Echsen.
Alldhan
Ihr werdet es nicht schaffen, dass alle Menschen euch lieben, viel leich
ter erreicht ihr, dass sie euch fürchten. So sagt mir denn, soll der weise
Mann die unerreichbare Frucht anstreben – oder die so nahe wachsende
pflücken?
Raik Utu-Hegasch, Ratschläge für meine Söhne
Alldhan Numur-Hegasch hatte keine Augen für die Menschen des Dorfes; weder für die Männer, Frauen und Kinder, die sich wie eine Herde Schafe beunruhigt zusammendrängten, noch für die beiden Ältesten Taiwe und Skeda, die vor den Dörflern standen und ihn mit respektvoll gesenktem Haupt erwarteten. Er achtete nicht einmal auf seinen Schab Fakyn, der ihn ehrerbietig begrüßte, oder die Krieger, die in langer Reihe zu seinen Ehren angetreten waren. Er sprang von seinem Wagen und fragte ungehalten: »Bei Strydh! Soll Utu, unser Gott, die Nacht im Sumpf verbringen? Warum ist diese Brücke noch nicht fertig?«
Maru hielt sich im Hintergrund. Sie wusste nicht, ob der Alldhan sie wiedererkennen würde, aber sie wollte es auch nicht darauf ankommen lassen. Natürlich war das Unsinn. Wenn Numur in diesem Dorf seine Zelte aufschlug, würde er bald von Tasils und damit auch von ihrer Anwesenheit erfahren. Eine Begegnung war vermutlich
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