Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin
für sie. »Ich muss wissen, was hier vorgeht, Kröte. Wir Männer können uns hier nicht unauffällig bewegen. Du schon. Also sieh dich um, und gib uns Bericht. Aber trödle nicht!«
»Soll ich nicht besser mitgehen?«, fragte Bolox plötzlich. »Vier Augen sehen doch mehr als zwei«, fügte er hinzu.
Die Männer grinsten. »Das kommt darauf an, ob diese Augen nicht durch etwas in ihrer Nähe abgelenkt sind«, spottete Meniotaibor.
»Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte Bolox verdrossen.
Maru starrte von einem zum anderen. Was ging denn hier vor? Wäre es in dem Stall ein bisschen heller und Bolox’ Haut nicht blau gefärbt gewesen, hätte sie geschworen, dass er errötete.
Tasil grinste auch, aber dann schüttelte er den Kopf. »Unauffällig,
Bolox, darauf kommt es an, und ich fürchte, deine farwische Bemalung sticht hier jedem Krieger sofort ins Auge.«
Brummend setzte sich Bolox wieder auf seinen Platz.
Maru musste also allein auf Erkundung gehen. Das war ihr eigentlich auch lieber so. Der Farwier benahm sich manchmal etwas merkwürdig. Außerdem konnte sie besser nachdenken, wenn sie alleine war. Und es gab viel, worüber sie nachdenken musste: Die Awathani, die dunklen Andeutungen von Wika und vor allem Utukku. Er wollte ihr Blut, aber sie durfte es ihm nicht geben. Das war das Einzige, worin sie sich sicher war. Er hatte sich verändert. Das wusste sie, obwohl sie ihn in der finsteren Nacht gar nicht hatte sehen können. Dieser Geruch von Tod, der ihm anhaftete, seine unverhohlenen Drohungen. Würde er wirklich die Erwachte auf das Dorf loslassen? Nur, um an ihr Blut zu kommen? Er hatte von Kraft gesprochen. War es das, was ihr Blut für ihn war? Eine Kraftquelle? Oder war da noch mehr? Sie wusste es nicht, und sie wusste auch nicht, wen sie fragen konnte. Wika? Biredh? Beide mochten sich in solchen Dingen auskennen, aber aus irgendeinem Grund scheute sie sich, sie zu fragen. Sie seufzte und lief durch den Regen. Es gab keine Anzeichen dafür, dass er irgendwann einmal nachlassen würde. Es gab noch jemanden, der über diese Dinge etwas zu wissen schien: Dwailis. Jetzt bereute es Maru, dass sie ihn am Vortag nicht besucht hatten. Es hieß, der Alte sei verrückt, aber so wie Wika über ihn gesprochen hatte, war das nicht alles. Sie hatte gesagt, dass nur ein Maghai den Opferritus durchführen könne – und dabei hatte sie Dwailis’ Namen genannt. War er einer der alten Zauberer? Wenn ja, dann schien es im Dorf niemand zu wissen. Sie lief weiter. Die Wege zwischen den Hütten hatten sich in Morast verwandelt. Die Welt versank im Regen. Maru war froh, dass sie den Strohüberwurf von Rema noch hatte. Rema! Er hatte mit den Kriegern hinausziehen müssen.
Maru machte auf dem Absatz kehrt und lief zum Tor. Vielleicht ließ sich erfahren, was sie dort drüben vorhatten, und auch, wie lange es dauern würde. Rema. Sie brauchte ihn. Ohne ihn würde sie den Weg zu Dwailis nicht finden. Rema. Sie stellte fest, dass sie gern an ihn dachte.
Die Wache hatte sich vor dem Regen in den kleinen Unterstand des Wärters zurückgezogen. Dicht gedrängt stand eine ganze Eschet unter dem Schilfdach und starrte verdrossen in das unablässig vom Himmel fallende Wasser. Ein Krieger musste allerdings auf der Brücke selbst ausharren. Er hatte seinen runden Lederschild auf den Kopf gelegt und unter dem Kinn festgebunden. Das war einfallsreich, aber sicher auch ziemlich unbequem, wie Maru dachte. Der Wächter schenkte ihr zunächst keine Beachtung, aber als sie versuchte, die Brücke zu überqueren, schnellte sein Speer vor und versperrte ihr den Weg. »Hast du nicht gehört, Mädchen? Keiner darf hinaus!«
»Aber ich will nach meinem Vetter sehen. Er ist drüben im Wald«, behauptete sie.
»Bei den Holzfällern? Trotzdem kann ich dich nicht hinüberlassen. Nimm einfach an, dass es ihm gut geht.«
»Aber er ist Fischer, kein Holzfäller, er verletzt sich vielleicht.«
»Dann solltest du ihn nicht ablenken. Ein Unglück kann so schnell geschehen«, sagte der Krieger grinsend. Für einen Wimpernschlag war Maru in Versuchung, die Stimme einzusetzen, aber sie wusste, dass das Unsinn gewesen wäre. Da war eine ganze Eschet, und Tasil hatte Recht: Es war gefährlich, diese Kraft in aller Öffentlichkeit zu gebrauchen. Mit Unbehagen dachte sie an die Ereignisse vom Vortag. Die meisten Dörfler glaubten noch, die Eschet aus Ulbai sei von Taiwe und Skeda zum Abzug überredet worden, was Maru sehr recht war. Aber einige
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