Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin
sie mit brennenden Augen an: »Ja, wir sind die Einzigen hier. Und jetzt geh, ich habe viel zu tun. Ich will meinem Sohn kein zerrissenes Netz hinterlassen.«
Maru schwieg betroffen. Es sah wirklich so aus, als sei Skeda dabei, mit dem Leben abzuschließen. Sie verließ den Unterstand. Es regnete immer noch. Die Hakul erwarteten sie bereits. Sie machten keinerlei Anstalten, sich ihr zu nähern; sie standen einfach nur da, als stumme Erinnerung an eine Rechnung, die noch zu begleichen war. Maru blickte zum Himmel. Schwere Tropfen klatschten ihr ins Gesicht. Irgendwo da oben schliefen die Hüter. Sie sandte ihnen ein stummes Gebet.
Wohin jetzt? Wenn Tasil mit Taiwe und Numur sprechen wollte, war er sicher noch beschäftigt. Also hatte sie etwas Zeit. Sollte sie noch einmal versuchen, mehr über die Frau im Käfig zu erfahren? Würde das irgendetwas ändern? Sie ging drei Schritte und blieb plötzlich stehen. Da war etwas. Skeda hatte es gesagt. Etwas, das wirklich alles ändern konnte. Aber was? Sie spürte es. Es war
wichtig. Es war beinahe greifbar. Sie schloss die Augen – dann wusste sie es. Hier . Das war es. Der Älteste hatte gesagt, dass au ßer den Ältesten niemand hier Bescheid wusste. Das schloss zwei Menschen aus: Wika und Dwailis. Dwailis, dieser Name fiel verdächtig oft. Hätte sie ihn nur besucht, als sie die Gelegenheit gehabt hatte! Jetzt waren die Boote bewacht und Rema wahrscheinlich irgendwo da draußen, um Schilf für Numurs Flotte zu schneiden. Dwailis. Der Name hakte sich bei ihr fest. Sie war inzwischen fast sicher, dass er ein Maghai war, so wie Wika über ihn geredet hatte. Und dass er immer Glück beim Fischen hatte? Vielleicht auch Zauberei. Die Leute im Dorf wussten davon offenbar nichts. Und die Ältesten? Maru biss sich auf die Lippen. Dwailis. Er war nicht »hier«, und Skeda wusste vielleicht, dass er mehr als nur ein verrückter Alter im Sumpf war. Und Wika? Wusste sie auch Bescheid? Maru änderte die Richtung und lief wieder zu Hiris Herberge. Wenn sie viel Glück hatte, kümmerte sich die Heilerin dort um die verwundeten Krieger. Sie lief schnell, denn Tasil hatte Recht: Viel Zeit hatten sie nicht mehr. Die Dämmerung rückte näher, und es war leicht möglich, dass es ihr letzter Abend werden würde. Sie lief, so schnell es der tiefe Morast zuließ. Als Maru in die Herberge hineinplatzte, war ein kleiner Mann mit Glatze gerade dabei, Verbände zu wechseln.
»Bist du hier, um mir zur Hand zu gehen, Mädchen?«, fragte er mürrisch.
»Nein«, keuchte Maru atemlos, »ich suche Wika, die Kräuterfrau.«
»Ah, die Sumpfhexe? Sie war gestern hier, wollte die Männer mit ihren Moosen und Kräutern vergiften. Aber das habe ich ihr ausgetrieben.«
Maru warf erst jetzt einen Blick auf den Verband, den der Mann wechselte. Das sah nach Wundbrand aus.
»Ich glaube, sie weiß, was sie tut«, sagte sie vorsichtig.
»So? Und ich weiß das nicht? Ich bin schon lange beim Heer, Mädchen. Und viele meiner Verwundeten haben überlebt! Ich habe Erfahrung mit Kriegsverletzungen, weit mehr als so ein awisches Weib mit seinen Säften und Tränken. Und wenn du nicht hier bist, um zu helfen, verschwinde gefälligst, ich habe zu tun.«
Maru lief wieder nach draußen. Die Hakul warteten unter einem Dachvorstand auf sie. Der Regen war noch ein wenig stärker geworden. Es war hoffnungslos. Wika war offenbar nicht im Dorf, Dwailis unerreichbar, und die Ältesten schwiegen. Die Ältesten? Maru fiel es wie Schuppen von den Augen. Es war unfassbar, dass sie das übersehen hatte: In diesem Dorf gab es drei Älteste!
Maru lief zum nördlichen Hafen, wo der alte Wifis zu sitzen pflegte. Am liebsten hätte sie Freudensprünge vollführt. Der Regen machte ihr nichts mehr aus, ganz im Gegenteil. Sie hoffte, dass er die Hafenwache unter die Dächer getrieben hatte. Sie war aufgeregt. War das die Lösung? Sie lief, und mit jedem Schritt schrumpfte die Freude: Wifis war verrückt – und schwerhörig. Was, wenn die Krieger immer noch bei ihm saßen und sich über ihn lustig machten? Was, wenn sie auch nur in Hörweite waren? Und wenn sie ungestört mit ihm reden konnte, würde er sie verstehen? Würde er wissen, was sie von ihm wollte? Und konnte er ihr helfen? All diese Fragen schossen ihr durch den Kopf. Je näher sie ihrem Ziel kam, desto verzagter wurde sie. Selbst wenn der Alte wusste, was sie von ihm wollte – was, wenn der Zauber, der die anderen am Reden hinderte, auch bei ihm wirksam war? Nun,
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