Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter des Magiers

Die Tochter des Magiers

Titel: Die Tochter des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
dabei
aufmerksam. »Jetzt leg sie auf den Tisch. Möchtest du gern abheben,
oder soll ich das lieber machen?«
    »Das mache ich schon selbst.« Luke griff nach den Karten,
überzeugt davon, daß man ihn nicht hereinlegen konnte. Schließlich
stand er direkt neben dem Zauberer.
    »Ist deine Karte die oberste?«
    Luke deckte sie auf und grinste. »Nein.«
    Nouvelle schien verblüfft, während das Publikum kicherte.
»Nein? Dann vielleicht die unterste?«
    Selbstsicher drehte Luke den Stapel um und hielt die Karte
hoch. »Nein. Da haben Sie sich anscheinend vertan, Mister.«
    »Merkwürdig, wirklich merkwürdig«, murmelte Nouvelle und
strich sich mit einem Finger über den Schnurrbart. »Du bist geschickter
als ich dachte. Offenbar hast du mich hereingelegt. Die Karte, die du
ausgewählt hast, ist überhaupt nicht im Spiel. Weil sie
nämlich … hier ist.« Er schnippte mit den Fingern und zog die
Herz-Acht aus der Luft.
    Luke starrte ihn sprachlos an. Da das Publikum laut
applaudierte, hörte niemand, was Nouvelle leise zu ihm sagte. »Komm
nach der Vorstellung hinter die Bühne.«
    Mit einem kleinen Schubs schickte Nouvelle ihn zurück auf
seinen Platz.
    In den nächsten zwanzig Minuten vergaß Luke neben der Zauberei
alles andere. Ein kleines rothaariges Mädchen in einem glitzernden
Trikot kam auf die Bühne getanzt. Grinsend beobachtete er, wie sie in
einen übergroßen Zylinder stieg und sich in ein weißes Kaninchen
verwandelte. Amüsiert lauschte er dem gespielten Streit zwischen ihr
und dem Zauberer, ob es nicht langsam Zeit für sie sei, ins Bett zu
gehen. Er fühlte sich richtig erwachsen dabei. Das Mädchen schüttelte
trotzig seine roten Locken und stampfte mit den Füßen auf. Seufzend
warf Nouvelle ein schwarzes Cape über sie und schwenkte seinen
Zauberstab. Das Cape sank zu Boden, und das Kind war verschwunden.
    »Als Vater«, erklärte Nouvelle dem Publikum ernsthaft, »muß
man manchmal einfach energisch sein.«
    Zum Schluß zersägte er noch eine kurvenreiche Blondine in zwei
Hälften. Ihre Figur und das knappe Trikot brachten ihr zahlreiche
anerkennende Pfiffe der Zuschauer ein.
    Ein Mann in einem karierten Hemd und gestärkten Jeans sprang
auf und rief begeistert: »Nouvelle, wenn du mit der Lady fertig bist,
nehme ich eine Hälfte, ganz egal, welche.«
    Die zwei Hälften der Dame wurden auseinandergeschoben. Auf
Nouvelles Befehl hin wackelte sie mit Fingern und Zehen. Nachdem die
Kiste wieder zusammengefügt worden war, entfernte Nouvelle die
stählerne Trennscheibe, schwenkte seinen Zauberstab und riß den Deckel
auf. Unter lautem Applaus stieg die Dame, putzmunter und ohne den
geringsten Kratzer, heraus.
    Luke hatte die Handtasche der dicken Frau ganz vergessen, aber
er fand, daß sich das Eintrittsgeld trotzdem gelohnt hatte.
    Während das Publikum nach draußen strömte, um die anderen
Attraktionen auf dem Rummelplatz zu genießen, wandte sich Luke zur
Bühne. Er hoffte, daß Nouvelle ihm vielleicht zeigen würde, wie er die
Sache mit den Karten gemacht hatte. Schließlich war er dabei ja so
etwas wie sein Assistent gewesen.
    »He, Junge.«
    Luke schaute auf und sah einen wahren Riesen von mindestens
einem Meter fünfundneunzig und zweihundertsechzig Pfund solider
Muskelmasse vor sich. Das glattrasierte Gesicht war breit wie ein
Teller, die Augen wirkten winzig wie zwei Rosinen, im Mundwinkel hing
eine Zigarette ohne Filter.
    Häßlicher als Herbert Mouse Patrinski konnte kaum jemand sein.
    Mit vorgerecktem Kinn und hochgezogenen Schultern nahm Luke
instinktiv eine kampfbereite Haltung ein. »Ja?« Mouse forderte ihn mit
einer Kopfbewegung auf, ihm zu folgen. Nach kurzem Zögern lief Luke
hinter ihm her.
    Die ganze Pracht des Jahrmarkts mit seinem billigen Flitter
verblaßte, als sie zum Abstellplatz der Wohnwagen kamen. Zwischen den
LKWs mit ihren Anhängern wirkte Nouvelles Wohnwagen wie ein Vollblüter
unter Ackergäulen. Er war lang und schmal, und auf der Seite glänzte im
Mondlicht auf schwarzem Untergrund der schwungvolle silberne Schriftzug:
    Der große Nouvelle,
Zauberer und Meistermagier.
    Mouse klopfte kurz an die Tür und öffnete,
ohne auf Antwort zu warten. Luke nahm einen eigentümlichen Duft wahr,
der ihn an eine Kirche erinnerte, als er nach ihm den Wagen betrat.
    Der Große Nouvelle war bereits umgezogen und hatte sich in
einem Morgenrock aus schwarzer Seide auf einem schmalen Sofa
ausgestreckt, um ein Glas Brandy zu genießen. Von einem halben Dutzend
Räucherkegel stiegen

Weitere Kostenlose Bücher