Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Henneberg
Vom Netzwerk:
dich doch nicht wundern, so schlecht, wie es dir nach den letzten beiden Fehlgeburten ging«, tröstete Henrika ihre aufgelöste Freundin.
    Ein letzter Schluchzer erklang, dann hob Betlindis den Kopf. »Meinst du wirklich, dass er nur deshalb so seltsam war?«, fragte sie stockend und brachte ein zaghaftes Lächeln zustande.
    Henrika nickte ihr aufmunternd zu. »Soll ich ihn jetzt hereinholen, dann kann ich mich um Herwin kümmern.«
    Gleich darauf betrat die junge Frau den Raum, aus dem Betlindis kurz zuvor herausgestürmt war, und fand Randolf alleine am Tisch sitzend vor. Er hatte die Ellbogen aufgestützt und den Kopf in den Händen vergraben. Als sie eintrat, sah er auf, und die junge Frau schluckte, als sie sein verzweifeltes Gesicht sah. Wieder fühlte sie sich zwischen ihrer Loyalität gegenüber Betlindis und ihrer Liebe zu ihm hin- und hergerissen.
    »Ihr könnt jetzt zu ihr gehen. Ich habe ihr nur die Wahrheit gesagt, nämlich dass Eure Sorge um ihre Gesundheit vor der Freude auf die Geburt eines weiteren Kindes kommt«, sagte Henrika, um Gelassenheit bemüht, und trat einen Schritt zur Seite, um den Ausgang freizugeben.
    Randolf erhob sich und ging langsam auf sie zu, wobei es ihr schien, als würde ihn jeder einzelne Schritt unendlich viel Kraft kosten. Dicht vor ihr blieb er stehen und streckte die Hand aus. »Henrika, bitte«, flehte er mit eindringlicher Stimme.
    Sie schüttelte nur heftig den Kopf und verbarg die Hände hinter dem Rücken. Wahrscheinlich würde sie ihn bis an das Ende ihrer Tage lieben, doch jetzt galt es, ihrer Freundin den Schmerz zu nehmen.
    Als er ihren flehenden Blick bemerkte, ließ er kraftlos die Hand sinken und ging hinaus.
    »Wo ist Herwin?«, rief sie ihm hinterher, denn ihr fiel auf, dass der Junge fehlte.
    Der Ritter hatte bereits den Türgriff in der Hand, als er, ohne sich zu ihr umzudrehen, mit tonloser Stimme sagte: »Im Stall, bei den Pferden.«
    Nachdem Henrika ihre schlechte Gemütslage einigermaßen in den Griff bekommen hatte, war sie kurze Zeit später damit beschäftigt, den verwirrten Herwin zu trösten, der überhaupt nicht verstanden hatte, warum seine Mutter laut weinend aus dem Raum gelaufen war. Nach Henrikas Erklärung war er besänftigt und saß gemeinsam mit ihr auf der langen Bank in dem kleinen Garten hinter dem Haus des Münzmeisters. Unter Henrikas wachsamen Blicken schnitzte er nun schon sein drittes Werk. Allerdings hatte er sich dieses Mal ein Pferd ausgesucht, da er der Meinung war, dass zwei Schwerter genügten, schließlich besaß sein Vater auch nur eines, und der war ein Lehnsmann des Königs.
    »Dein Vater hat mir erlaubt, dass ich ihm bei der Arbeit zusehen darf«, sagte der Junge und hielt kurz mit dem Schnitzen inne.
    Henrika strich ihm gedankenverloren über den Kopf und stellte fest, dass seine hellbraunen Haare denen seines Vaters glichen. »Das ist sehr schön, es wird dir bestimmt genauso gut gefallen wie mir als Kind«, antwortete sie lächelnd.
    »Du warst ein Mädchen, für die ist so etwas nichts«, entgegnete Herwin kritisch und sah sie stirnrunzelnd an.
    Henrika gab ihm einen leichten Klaps auf den Hinterkopf und fragte herausfordernd: »Ach ja, und wer hat dir das Schnitzen beigebracht?«
    Der Junge überlegte kurz, wobei er die Nase krauszog und die Lippen spitzte – ein Anblick, der jedes Mal aufs Neue bei Henrika Entzücken hervorrief. Plötzlich veränderte sich seine nachdenkliche Miene und ein Strahlen breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Vater, seht nur, was ich gerade schnitze! Mein neues Schwert muss ich Euch auch noch zeigen«, rief er begeistert und reckte das halb fertige Holzpferd in die Höhe.
    Randolf hockte sich vor seinen Sohn, nahm die Holzarbeit in die Hände und begutachtete sie ausgiebig. Dabei strich er sich die mittlerweile fast schulterlangen Haare aus dem Gesicht. Henrika, die die unerwartete Möglichkeit nutzte und ihn beobachtete, gefielen die längeren Haare, die seine schmalen Züge noch stärker hervorhoben. Sein Bart war dagegen noch immer sauber gestutzt, und auf einmal war es ihr, als spürte sie wieder das leichte Kitzeln seiner Haare bei ihrem letzten und einzigen Kuss.
    »Das hast du sehr gut gemacht, mein Sohn. Ich muss schon sagen, deine Lehrmeisterin überrascht mich immer wieder mit ihren vielen verborgenen Talenten«, gestand Randolf bewundernd und gab Herwin die Arbeit zurück.
    Der Junge glühte vor Stolz und schnitzte sofort weiter. Daher fiel ihm auch nicht auf, dass sein

Weitere Kostenlose Bücher